Die Foscari-Dandolo
Wappen der Familie Foscari-Dandolo zu Palatina
Die Familienoberhäupter des palatinischen Zweiges der Foscari behielten in den ersten beiden Generationen noch den Doppelnamen Foscari-Dandolo, seltener Dandolo-Foscari; so verwendete Ottavio als Gründer der Dynastie noch um 1600 letztere Version. Dennoch war ab diesen Moment klar, dass es sich bei der Familie jetzt durchweg um ein palatinisches Geschlecht handelte. Nahezu alle Foscari wurden anschließend in den Grenzen der Republik Palatina geboren, und das Heiratsspektrum der Familie konzentrierte sich nunmehr auf die Nobilität der eingesessenen Sippen.
Schon um 1600 hatte Ottavio als Herr der Markthalle, Rektor der Universität, Botschafter der Republik Venedig und als Gildenmeister von Sankt Nikolaus eine solche Ämtervielfalt bekleidet, dass die übrigen Familien sich fragten, ob die Foscari womöglich nicht zu viel Macht besaßen. Er verpflichtete sich, nie wieder für die Kaufmannsgilde zu kandidieren und seine Macht zumindest an seine Nachfolger zu delegieren, um sein Wohlwollen gegenüber der Serenissima zu zeigen. Nur mit sehr viel Geschick war es ihm möglich, das Amt des Markthallenverwalters neuerlich erblich zu machen und an seinen jüngsten Sohn Cesare abzutreten. Um Verwechslungen mit dem gleichnamigen Großonkel zu verhindern, wird er in der Geschichte häufig „Cesare der Jüngere“ genannt. Sein erstgeborener Sohn folgte ihm als Botschafter für Venedig nach, obwohl auch dies zu Spannungen führte, weil die Markusrepublik Aurelio Foscari schon nicht mehr als Venezianer, denn als Palatiner wahrnahm und man einen Interessenkonflikt befürchtete. Inneruniversitär legte sich Ottavio mit seinen Kollegen an, weil er seine talentierte Tochter Orlanda förderte. Ihre Wahl zur ersten Dekanin der Universität zu Palatina blieb umstritten. Einzig die Karriere seines Sohnes Tarquinio im Militär wurde gebilligt; Tarquinio hatte keine Interessen am Handel, an der Politik oder an der Wissenschaft gezeigt und konzentrierte sich nur aufs Kriegshandwerk.
Das Diagramm zeigt die Familie Foscari-Dandolo zwischen 1590 und 1660. Zum Vergrößern klicken.
Schon in den letzten Lebensjahren Ottavios nahmen die Spannungen zwischen den drei ungleichen Brüdern zu. Aurelio war ein geschickter Diplomat und Politiker, verstand es aber nicht, selbst Geld zu erwirtschaften. Das führte zum Konflikt mit Cesare, der zeigte, dass er seinen Namen nicht umsonst trug; doch musste der sich stets den Forderungen seines älteren Bruders beugen. Tarquinio indes verprasste ein Vermögen bei seiner Hochzeit mit Livia Braccioleone, um die Vermählung Aurelios demonstrativ zu übertrumpfen. Die jüngeren Söhne wollten offenbar nicht den Anspruch des Ältesten ohne Widerspruch erdulden.
Ottavio verfügte daher in seinem Testament, dass die Familie sich nicht trennen sollte, da keiner seiner Teile allein überleben könne. An Aurelio vermachte er die Ca‘ Foscari, den Sitz des Oberhauptes* der gesamten Familie bleiben sollte; an Tarquinio das Landgut Sant‘ Ambrogio; an Cesare nur ein Stadthaus in der Città Antica, da dieser mit der Markthalle den lukrativsten Posten bekleidete. Ottavio hatte darauf gehofft, dass die Sippe weiterhin unter einem Dach leben würde, um die gemeinsamen Interessen abzustimmen. Obwohl Tarquinio und Cesare den Rang ihres Bruders als neues Oberhaupt anerkannten, sprachen die Brüder immer weniger miteinander. Das unausgesprochene Ziel aller war die Erlangung des Status des Nobile, um damit eine prestigeträchtigere Stellung zu haben.
Aurelio (1610-1633), der Nachfolger Ottavios, konnte die Familie nur mit viel Mühe und diplomatischem Geschick zusammenhalten
Ein erster Schritt war dabei die Einheiratung in die Nobilität: alle drei Brüder heirateten eine Frau aus der obersten Schicht Palatinas. Damit war bereits ein bedeutender Schritt getan. Dabei ließ der Doge häufiger durchblicken, dass Tarquinio sich als Soldat am ehesten um das Wohl der Republik verdient gemacht hatte. Das war auch deswegen eine taktische Entscheidung, weil Tarquinio nur zwei Töchter hatte, und der Titel in seinem Zweig wieder verloren gegangen wäre. Aurelio gegenüber machte er die Bedingung, dass die Foscari auf ihr Recht als Botschafter Venedigs aufgaben. Das war für Aurelio jedoch zu diesem Zeitpunkt unannehmbar, weil ihm ohne Markthalle und ohne Landgut nur die Politik als Betätigungsfeld blieb und er so an Gewicht verloren hätte; womöglich ist dadurch die Entscheidung zu erklären, gleich zwei Kinder in den geistlichen Stand zu schicken, um über die Kirche an Macht und Einfluss zu gewinnen, den er woanders einbüßen musste.
Aurelios Zeit als Familienoberhaupt gilt daher eher als durchwachsen. Zwar wurden für die Zukunft entscheidende Weichen gestellt, um den Ruhm der Familie zu mehren; aber die Zerwürfnisse führten nicht nur zu Misstrauen untereinander, sondern auch zur Minderung des gesamten Vermögens. Der Dreißigjährige Krieg wütete in Mitteleuropa; der menschliche und materielle Verlust bedeutete ein Ausfallen Deutschlands als Absatzmarkt für Jahrzehnte. Die Türken führten Krieg gegen Venedig und zogen Palatina in eine Wirtschaftskrise; zuletzt wütete 1629/1630 die Pest und traf die gesamte Halbinsel schwer. Auch persönliche Tragödien blieben nicht aus: Alessandro Foscari, der Erstgeborene Cesares, überwarf sich mit seinem Vater, weil er das Kaufmannsleben als langweilig, kleingeistig und unwürdig empfand und das Soldatenleben seines Onkels Tarquinio idealisierte, mit dem er in den Mantuanischen Erbfolgekrieg zog – und mit diesem den Tod fand.
Cesare, der Jüngere (1633-1653), führte seine Familie in die Nobilität, zahlte dafür aber einen hohen Preis
Damit war nach Aurelios Tod klar, dass Cesare der einzige logische Nachfolger sein konnte. Zwar wäre Giusto, der erstgeborene Sohn Aurelios, durchaus eine Lösung gewesen; aber weder hatte er das Kapital, noch das Renommee, um dieselbe Stellung zu behaupten wie Cesare. Es zeigte sich, dass in der Foscari-Familie nicht eine Linie dominierte, sondern der Älteste und prestigeträchtigste Vertreter Anspruch erheben durfte. Das venezianische Botschafteramt lehnte Cesare zudem aus strategischen Gründen ab. Von diesem Zeitpunkt an sollte kein Foscari mehr die Interessen Venedigs vertreten. Cesare hatte zudem aus den Konflikten mit seinen Brüdern gelernt, sein Vermögen taktisch einzusetzen: seine Nichten Antea und Cecilia bedachte er mit Schenkungen und Geschenken, spendete Unsummen an den Klerus der Stadt und bedachte auch seinen Neffen Giusto großzügig. Ein großer Teil der barocken Kirchenausstattung wurde von Cesare gestiftet, der sich damit der Zuneigung seiner Verwandten und der Achtung der Stadt versicherte.
Obwohl mit Cesare der letzte wahre Kaufmann als Familienoberhaupt fungierte, so ist er zugleich einer derjenigen, der das Familienvermögen wie kaum ein zweiter nach ihm aufbrauchte. Mitverantwortlich war dabei ein Darlehen an die Republik, die seit dem 17. Jahrhundert unter der veränderten Wirtschaftslage litt und Kredit bei ihrer Kaufmannschaft annahm. Cesare wusste, dass er das Geld nie wieder zurückbekommen würde, doch ein Zusammenbruch des wirtschaftlichen Gefüges hätte ihn noch teurer zu stehen bekommen. Es war diese Aktion, die ihm und seinen Nachfahren endlich den ersehnten Stand des Nobile im Jahr 1646 einbrachte. Ab diesem Moment durfte sich die Familie offiziell „di Foscari e Dandolo“ nennen, ein Name, auf den die Angehörigen jedoch häufig nicht bestehen. Es war auch Cesare, der zum ersten Mal das Hermelin auf schwarzen Grund in das bisher weiße Feld des Foscari-Wappens einsetzen ließ, doch hatte sich diese Neuerung noch nicht ganz umgesetzt; in vielen Schriftstücken finden sich beide Wappen und Siegel.
Giusto Foscari (1654-1658) trat als einziges Familienoberhaupt zurück
Auch Giusto Foscari, der Nachfolger Cesares, verwendete noch das alte Foscari-Dandolo-Wappen – aus dem einfachen Grund, weil der Nobile-Stand nicht für ihn galt. Seine Stellung als Oberhaupt war daher von Anfang an von einigen Problemen überschattet. Zwar bestand kein Zweifel daran, dass Giusto als ältestes und prestigeträchtigstes Mitglied der Familie den größten Anspruch hatte; aber er war nur ein Patrizio ohne Nobile, ohne Sohn und als Nuntius der päpstlichen Kurie verantwortlich, die ihn jederzeit woanders hinschicken mochte. Während die vorherigen Foscari um den Besitz der Ca‘ Foscari als Legitimationsmittel gestritten hatte, verzichtete Giusto auf den Familiensitz zugunsten Augustos. Es war ein unausgesprochenes Geheimnis, dass der Sohn Cesares der geeignetere Prätendent war. Aufgrund seiner kirchenpolitischen Verpflichtungen trat Giusto daher als einziges Familienoberhaupt von seinem Amt nach nur vier Jahren zurück.
Mit Augusto Foscari endet die Phase der Foscari-Dandolo endgültig. Aus dem kaufmännischen Patriziergeschlecht hatte sich eine Nobile-Familie entwickelt, die nun zunehmend auf Landbesitz achtete. Augusto hatte keine Ambitionen mehr, Oberster Verwalter der Markthalle zu werden, sondern konzentrierte sich als Senator auf eine politische Karriere. Er selbst führte schon seit circa 1650 nur noch den Namen „di Foscari“ und führte nach Übernahme des Titels eines „Capo di Ca‘“ ausschließlich das Wappen mit schwarzem Feld und Hermelin. Als erster Dogenberater aus seiner Familie setzte er ein deutliches Zeichen, dass die Foscari in der regierenden Oberschicht der Republik „angekommen“ waren.
Augusto Foscari (1654-1658) nimmt bis 1650 den heutigen Namen und das heutige Wappen an; er gilt als letzter Foscari-Dandolo
Oberhäupter der Foscari-Dandolo:
Ottavio (bis 1610)
Aurelio (1610-1633)
Cesare „der Jüngere“ (1633-1653)
Giusto (1654-1658)
Augusto (1658-1681)
Weitere bedeutende Foscari:
Ascania Foscari, Nobildonna. Über die Verheiratung mit Barachiele di San Trovaso knüpften die Foscari eine strategische Allianz, die grundlegend für den politischen Aufstieg war. Die Bekleidung der Dogenberaterwürde 1659 und die des Dogenamtes 1693 hängen hiermit zusammen. Gabriele di San Trovaso, der Mitstreiter des Dogen Ermolao Foscari, war ein Kind aus dieser Vebrindung.
Antea Foscari, Oberin der Klarissen. Kam über ihre Cousine Cecilia an den palatinischen Klarissenkonvent und stieg dort in das höchste Amt auf. Sie galt vielen Bischöfen Palatinas im 17. Jahrhundert als Stütze und Ratgeberin. Zahlreiche Stiftungen und Schenkungen der Foscari an die Kirchen der Stadt stammen aus dieser Zeit.
Carlo Foscari, Händler. Um 1630 verschollen, Verbleib ungeklärt. Nachkommen sind keine bekannt. Sollte es sie geben, hätten sie keinen Anspruch auf den Rang eines Nobile.
Cecilia Foscari, Clarissin. Führte im Konvent von Palatina die lockeren Regeln der Urbanistinnen ein.
Faustino Foscari, Jesuit. Reiste nach China und blieb dort zwei Jahrzehnte Missionar; unter Anderem war er mit Adam Schall von Bell bekannt. Kehrte nach Palatina zurück und wurde später Prior des Kollegs. Schrieb Traktate über den Vergleich zwischen abendländischer und chinesischer Philosophie. Gilt als größter Gelehrter der Familie in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.
Giusto Foscari, Priester. Fähiger Theologe und Dolmetscher. Trat mit 16 Jahren den Dominikanern bei. Machte anschließend in der römischen Kuriere Karriere und kehrte nach Palatina als päpstlicher Nuntius zurück. Galt einige Zeit als möglicher Nachfolger des Bischofs von Palatina, bevorzugte jedoch seine Stelle in der römischen Kurie.
Ottavia Foscari, Nobildonna. Das Schicksal Ottavias ist unbekannt. Ob sie ins Ausland verheiratet wurde oder in den geistlichen Stand trat, bleibt Spekulation.
Orlanda Foscari, Dekanin der Universität. Wurde von ihrem Vater Ottavio protegiert, der Rektor an der Universität war, weil sie dieselben Neigungen verfolgte wie er. Brillierte besonders auf dem Feld der Naturwissenschaften. Alchemie und Horoskope lehnte sie zugunsten neuerer Methoden ab, soll aber selbst am Stein der Weisen geforscht und über ihrer Arbeit gestorben sein.
Tiberia Foscari, Patrizia. Ehelichte Arturo di Salami und legte damit den Grundstein für die guten Beziehungen der Foscari nach Borghetto. Ihre Heirat war ursprünglich eine Strategie ihres Vaters, um die militärische Karriere vor Ort zu befördern.
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*Das Familienoberhaupt der Foscari trägt daher den Titel „Capo di Ca‘“, was sowohl „Herr des Hauses“ als auch „Herr der Ca‘ Foscari“ bedeuten kann.