Der linguinische Suppenpapagei
Einleitung
Der linguinische Suppenpapagei stammt ursprünglich aus der Neuen Welt, nämlich aus der Schwesterrepublik Auriana auf der anderen Seite des Ozeans, die von palatinischen Kolonisten besiedelt wurde. Dort ist er in weiten Gebieten jenes Staates heimisch. Besonders bekannt geworden ist der linguinische Suppenpapagei durch seine unglaubliche Sprachfertigkeit, sowie sein wohlschmeckendes Fleisch.
Damit erklärt sich auch der eine Namensbestandteil; der andere rührt von seinem Entdecker her, Arnoldo Linguini, der bereits of aufgrund seiner Entdeckung bisher erwähnt wurde. Seine erste und bedeutendste Entdeckung war dabei dieser Vogel. Er war der Schwippschwager eines dortigen Stadtherrn, Iulius Sulla (Palatinisch: Giulio Silla), welcher die nähere Umgebung erkunden sollte und den nahen Mischwald erreichte. Dabei stieß er auf diesen bemerkenswerten Vogel; der Eintrag aus seinem Notizbuch ist bis heute erhalten:
Erster Taghige in den Umlanden:
Heutig ist ein garlich erfreuiglicher Tag, denn es ward, als ob sich jedes meiner Gedärme umgedrehigt hattigt for Vreud. Im Walde nördlichgt unserer Siedelung stieß ich auf eine nochigt vollständiglich unbekannte Artigt, so majestatiglich und ansehbar, intellektulitastisch und papageiig wie ein Papagei.
Wir aßigen ihn sofort.
„Mit Gemüse und Knoblauch in der Suppe“, fügte Linguini auf seinem Sterbebett hinzu, nachdem er aus Versehen bei einer späteren Expedition in den Borja-Sümpfen ein Krokodil hatte verspeisen wollen – das man im Gegensatz zum linguinischen Suppenpapagei nicht einfach in einem Stück in einen Suppentopf stecken konnte.
Linguini hatte gleich nach der Rückkehr in die Hafensiedlung damals seinen ersten Bericht über die unbekannten Papageien verfasst – ein Kochbuch*. Dies war der Beginn der kulinarischen Entdeckung dieses Tieres, das schon sehr früh als wohlschmeckendes Essen bekannt wurde, allerdings auch der Anfang des Rückgangs der Bestände und die Auslöschung der beiden Arten, die Auriana am Nächsten wohnten. Besonders für die, welche nichts hatten, war der Papagei in der Suppe eine Abwechslung, während die reichen und wohlhabenden Bürger den Vogel lieber panierten.
Bemerkenswert dabei ist, dass der Vogel immer in einem Stück bleibt.
Schon bald aber avancierte der Papagei zum Haustier, einige Adlige, aber auch Seemänner und Kneipenbesitzer legten sich diesen zu. Herzog Venturi, erster Herrscher ganz Aurianas, besaß ebenfalls einen linguinischen Suppenpapagei, welchen er sehr schätzte – außerdem teilten sie wohl viele Lebensansichten. Daher geschah es, dass nach der Einigung der Stadt der linguinische Suppenpapagei zum Wappenvogel erhoben wurde.
Aufgrund des Austauschs zwischen beiden Republiken nisteten sich bereits im beginnenden 16. Jahrhundert vermehrt Vertreter dieser Papageienart in Palatina an. Das warme Klima und die vielfältige Flora begünstigten diesen Trend. Dabei stellte ihr ursprüngliches Nistgebiet der Alte Wald dar, eben jener Wald, der am nächsten zu Porto Vecchio liegt, wo Schiffe aus aller Welt anlegen.
Aussehen
Lange Schwanzfedern, stets gebeugter Kopf nach vorne, Schnabel von dunkelgrau bis hellschwarz reichend, Federfarben entweder blau und gelb oder rot und grün; mürrischer, misstrauischer Blick.
Ruf und Unterarten
Ähnelt einem „Hey, du fetter Vollidiot, mach mich nicht nach, sonst setzt es was!“ oder einem „Wenn du noch einmal in den Wald pfeifst, dann komm ich dir da runter, du hirnamputierter Dorftourist!“ bis hin zum „Mein Leben ist ja so sinnlos…“.
Die Rufe des Vogels variieren von Region zu Region, so hat die ausgestorbene Unterart des Kap-Sarmatius jeden mit einem „Ohjo, do gäbbes oba ne Fluad om Kapp! Wennäh, de Szponioa komm’n!“ begrüßt, die westliche Avaris-Art (ebenfalls ausgestorben) ermahnte jeden mit einem „Bass opp do, Jung, oder isch kumm dir do röva!“.
Die Süd-Aurianische Unterart im dichten Fichtenwald unterhalb Verignons ist weit vernehmbar, besonders das schallende „Hascht Geld dabei, gell?“ ist nie zu überhören.
Die Südöstlich-Aurianische Rasse unterscheidet sich wiederum wesentlich von allen anderen Arten, und spricht mit keinem anderen, rassenfremden Papagei. Der Ruf ist daher nur sehr selten zu hören, die Expedition unter dem großen Ornithologen Heiner an der Meise jedoch hat Anno 1552 einige – wenn auch schwer verständliche – Sprachfetzen mitbekommen können, die im Großen und Ganzen aus einem wiederholenden „SAUPREISSN! SAUPREISSN! HAUT’S AB!“ bestand.
Die nordöstlich davon lebenden linguinischen Suppenpapageie um Arestion zeichnen sich durch Offenheit aus, berühmt ist der Ausspruch des nachmaligen Hauspapageis Herzog Venturis, als dieser das Tier zum ersten Mal sah: „Gänsefleisch äus döm Wehg göhn? Se stöhn mir in der Sönne. Dongä.“
Die zentral-virginische Art wurde bisher nicht näher untersucht. Wie so viele unbekannte Unterarten des linguinischen Suppenpapageis muss sie noch näher erforscht werden.
Die Arten in Palatina zeigen verblüffenderweise ein ähnliches Schema auf. Im Südwesten des Landes lebt die Süd-Aurianisch schwäbelnde Rasse, im Südosten die Südostliche-bajuwarische, und im Osten die nordöstlich sächselnde. Der Norden und Nordwesten bleibt dabei unbewohnt, so, als überließen die Papageien diesen Platz ihren ausgestorbenen Vertretern.
Balzverhalten und Fortpflanzung
Die Kommunikation spielt hier eine wichtige Rolle. An der Meise konnte feststellen, dass es zwischen den Rassen (ausgenommen die südöstlich-aurianischen) immer wieder Vermischungen gab und gibt, obwohl sich die Rufe unterscheiden.
Meistens darf der Suppenpapagei-Mann den ersten Schritt machen, zuerst mit Komplimenten („Dein Kropf erinnert mich an den meiner Mutter“), anschließend mit Geschenken. Sobald der Schlüsselsatz fällt („Gehen wir zu dir oder zu mir?“) ohne dass das Weibchen ihm beide Augen auspickt, findet die Begattung statt.
Durchschnittlich legt ein Suppenpapagei 6 Eier. Allerdings werden 4 davon innerhalb der Brutzeit wieder aus dem Nest geworfen, wegen der manisch depressiven Mütter. Währenddessen säuft sich der Vater mit Honigwasser zu, verfällt einem deliriumsähnlichen Zustand, und macht sich spätestens einige Stunden später aus dem Staub.
Die Küken schlüpfen bereits nach kurzer Zeit, und sind so nervtötend, dass die Mutter sie ebenfalls aus dem Nest werfen will – so erlernt der Suppenpapagei bereits früh das Fliegen.
Erwähnenswertes
Trotz der widrigen Umstände behauptet sich das Tier zunehmend, hat sich angepasst und lebt in seinen Kolonien – abgesehen von den Papageien, die der Mensch gefangen, und jetzt ihre Parolen zu ertragen hat. Er kann etwa 90% des menschlichen Wortschatzes wiedergeben, und etwa 170% der menschlichen Beleidigungen, Kraftausdrücke und Schimpfworte. In intellektuell minderwertiger Umgebung kann er depressiv werden, in intellektuell hoch stehender auf Weltherrschaftsphantasien kommen. Heute gibt es mindestens fünf anerkannte Verbände in der Republik Auriana, welche an dem Wohl der Wappentiere interessiert sind, der größte ist der Witwen- und Waisenverband Auriana, die gute Beziehungen zu einer ähnlichen Vereinigung für Knusperhermeline in Palatina unterhält .
Die Hauptnahrung des linguinischen Suppenpapageis sind Cracker. Ein linguinischer Suppenpapagei kann in freier Wildbahn bis zu 105 Jahren alt werden.
In einer Suppe nicht.
Einordnung
Familie der Papageien (Psittacitae),
Psittacita sarcasticus et yamyam in suppam
Status
Nicht bedroht, bedroht eher andere Tiere [Stufe 0].
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*”Papageien in Suppe und parniert – aurianische Schlemmereien”, erschienen im Dampftopf&Söhne-Verlag.