Die Entwaldung des Maccaronischen Tals

Hier stehen alle wichtigen Informationen zu Kultur, Administration, Geschichte, Natur, Militär und Wirtschaft Palatinas im ausgehenden 18. Jahrhundert.
Antworten
Benutzeravatar
Die Signoria
Im Namen der Republik
Im Namen der Republik
Beiträge: 100
Stadtteil: Città Antica
Gesinnung: Reaktionär

Die Entwaldung des Maccaronischen Tals

Beitrag von Die Signoria »

Die Entwaldung des Maccaronischen Tals

Bild

Überblick

Italien war anders als Deutschland nie ein sonderlich waldreiches Gebiet. Schon in der Antike litt der Süden des Landes unter dem Flottenbau des Römischen Reiches, ein Trend, der sich erst im Zuge der Völkerwanderung änderte: mit der Verwüstung und Entvölkerung großer Landstriche der Halbinsel kehrte der Wald stetig zurück. Erst ab dem 11. Jahrhundert, mit dem Aufstieg der Städte und starkem Bevölkerungswachstum, sowie weitläufiger Rodung zugunsten von Ackerflächen, minderte sich der Waldbestand neuerlich; mit der Großen Pest des 14. Jahrhunderts starb wiederum ein so großer Teil der Bevölkerung, dass Holzkonsum wie Rodung deutlich abnahmen.

Die Territorien der heutigen Republik Palatina kannten ganz ähnliche Entwicklungen. In der Antike reichte der Mischwald (Foresta Scura) nahezu bis ins Vorgebirge, manche Historiker gehen sogar von Ausläufern bis ins heutige San Paolo aus. Noch bis ins 10. Jahrhundert finden sich Belege dafür, dass der Mischwald ein dichtes Kontinuum bildete, das nicht weit von der Hauptstadt begann und sich bis ins Gebirge erstreckte. Auch der Große Laubwald, der im Palatinischen lange Zeit als „Selva delle Mille Foglie“ („Wald der Tausend Blätter“) bezeichnet wurde, soll in älteren Zeiten bis zu den Hügeln und Hainen, jedoch mindestens bis zum Venusheiligtum gereicht haben. Der Alte Wald (Vecchia Foresta) erstreckte sich einst von Porto Vecchio bis Lancelotti und von Ponte Capuletti bis in die Nähe des Strandes von Corno Torro. Das wüste Land der Terra del Leone trat erst an dessen Stelle, als Porto Vecchio mit dem Flottenbau begann.

Völlig verschwunden sind bereits drei Wälder. Dazu gehört der Nymphenwald (Boschetto della Ninfa) zwischen Sirena und Borghetto, sowie der kleine Laubwald (Il Boschetto). Der Nymphenwald verschwand bereits im Spätmittelalter. Noch in den Kriegen zwischen den Kommunen Palatina, Porto Vecchio und Borghetto diente das Dickicht als Hinterhalt, doch findet er danach kaum noch Erwähnung. Es besteht die Legende, der Feldherr und spätere Markgraf Galeazzo Malpazzi habe nach der Vernichtung Borghettos die letzten Bäume des Waldes zur Strafe der einstigen Rivalin abgebrannt. Der Alte Wald bei Porto Vecchio fand sein Ende in den 1650ern, als man aus seinen letzten Bäumen Galeeren baute, die zur Verteidigung Candias gegen die Türken bestimmt waren. Der kleine Laubwald lichtete sich dagegen im Verlauf des 17. Jahrhunderts so sehr, dass unter dem Dogen d’Alano nur noch eine einzige Eiche übrig war, die einsam auf dem Hügel thronte und im Zuge eines Missverständnisses gefällt wurde.

Ursachen

Eine erste Stufe der Entwaldung datiert vom 10. bis zum 14. Jahrhundert, als der mittelalterliche Aufschwung das Land der späteren Republik Palatina erfasste. Sümpfe wurden trockengelegt, Klöster gegründet, Dörfer errichtet – und neue Äcker gebraucht. Mit dem Beginn der Kommunen fiel das Jagdrecht des Grafen weg und vielerorts bedienten sich die Landbevölkerung rücksichtslos an Feuer- und Bauholz. Es gelang den republikanischen Regierungen erst nach einiger Zeit, den Raubbau zu beenden und die Entwaldung in organisierte Bahnen zu leiten. Mit dem Wachstum Palatinas stieg allerdings der Bedarf an Holz immer weiter an, mochten es für die Beheizung, die Schmieden oder Gerbereien sein. Palatina musste seinen Hunger nach Holz auch deswegen doppelt stillen, weil Holz beim Hausbau zweifach zur Geltung kam: in San Pietro und San Paolo rammten die Palatiner Holzstämme in den Untergrund, und das schlammige Erdreich zu stabilisieren. In Porto Vecchio indes verfeuerten die Salzsieden große Waldbestände. Palatina wie Porto Vecchio bauten zugleich ihre Flotten aus, einer der Bereiche, der für die Waldlandschaft des Maccaronischen Tals am verhängnisvollsten sein sollte.

Bereits um 1350 war der Mischwald bis zu den Berghängen zurückgegangen, war der Alte Wald auf einen mickrigen Rest nordöstlich von Porto Vecchio zusammengeschrumpft und hatten die Holzfäller den Großen Laubwald hinter den Amaro zurückgedrängt. Weinberge, Äcker und Olivenhaine nahmen den Platz einstiger Wäldchen oder vereinzelter Bäume ein. Allerdings verhinderten gleich zwei Ereignisse eine vorzeitige Entwaldung des Maccaronischen Tals: einerseits die Große Pest, die die Nachfrage nach Holz dramatisch senkte; andererseits der Aufstieg der Malpazzi. Als Monarchen verfügten die Herrscher dieses Geschlechts per Dekret den Schutz zahlreicher Wälder, da sie sich diese für die Jagd vorbehielten. Experten gehen davon aus, dass allein diese Politik dafür sorgte, dass der kleine Laubwald und der Alte Wald noch einige Jahrhunderte fortbestanden.

Eine zweite Welle der Entwaldung begann hundert Jahre später mit der Ausrufung der Zweiten Republik. Während die Malpazzi nur wenig Wert auf eine Flotte gelegt hatten, traten die Dogen der beiden nachfolgenden Jahrhundert für eine starke Marine ein. Die Herausforderung durch Korsaren, Osmanen und die Allianz mit Spanien machten eine schlagkräftige Armada unverzichtbar, wollte Palatina seine Unabhängigkeit und seinen Wohlstand behaupten. Die Republik von San Leone hegte sogar koloniale Absichten in Amerika, ein Projekt, das man jedoch nach wenigen Jahren wieder fallen ließ. Die gewaltigen Galeassen der Serenissima bedeuteten das Ende ganzer Waldlandschaften. Während der Bau von Großschiffen ab 1700 beinahe zum Stillstand kam, wurden ab dem 18. Jahrhundert Flöße und Fähren zum republikweiten Gütertransport immer relevanter.

Es wäre jedoch verfehlt, die Deforestation der Republik nur auf den Schiffsbau zurückführen zu wollen. Das Handwerk der Stadt, die wachsende Bevölkerung und die kälter werdenden Winter forderten ihren Tribut. Ein Waldbrand zerstörte im 17. Jahrhundert einen Teil des südlichen Großen Laubwalds. Die größer werdende Armut der Bevölkerung zwang die Regierung dazu, den Zugang zu Feuerholz nicht weiter zu beschränken, um keine Unruhen aufkommen zu lassen. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts tat die Frühindustrialisierung ihr Übriges. Der Waldbestand im Maccaronischen Tal halbierte sich von 1500 bis 1650, im Jahr 1750 war nur noch ein Drittel des ursprünglichen Waldbestandes vorhanden.

Folgen

Die Holzknappheit trat den Palatinern plastisch vor Augen, als im besonders kalten Winter von 1763 schlicht kein Feuerholzbestand in der Hauptstadt übrig war und die Preise für Brennmaterial explodierten. Der Engpass dauerte zwei Wochen an, bis Holzimporte das Defizit ausglichen. Die Marine hatte den Schiffsbau schon Jahrzehnte vorher aufgeben müssen, da der Schiffskauf mittlerweile billiger geworden war. Zahlreiche Tiere starben in der Umgebung Palatinas aus, die Jagd wurde mehr oder minder unmöglich. Das Ende des maccaronischen Knusperhermelins, des Wappentiers Palatinas seit Urzeiten, ist direkt auf die Entwaldung zurückzuführen. Für die Schweinehirten wurde es immer schwieriger, ihre Herden in die Wälder zum Füttern zu treiben, was die Fleischpreise ebenfalls in die Höhe trieb. Dafür nahm die Schafs- und Ziegenzucht zu. Wo einst Wälder standen, blieben zuerst nur noch Sträucher übrig; diese wichen vermehrt Gräsern.

Die Holzknappheit trieb die Erschließung der Kohlevorkommen von Carbonara voran. Die Frühindustrialisierung, insbesondere in Form der großen Waffenmanufaktur von San Pietro, gierte nach Fuhren von Brennmaterial, wie sie Palatina kaum stemmen konnte. Ohne die Entdeckung der Kohle in den Ansedonischen Bergen wäre Palatina nicht nur bereits gänzlich entwaldet – die Schmieden und Manufakturen würden schlicht nicht existieren. Kohle wird mehr und mehr zu dem Energieträger der Republik, indes in der Regierungen Forderungen laut werden, über eine nachhaltige Waldnutzung innerhalb der Grenzen nachzudenken …
Wissen Sie, warum die europäische Gesellschaft stirbt? Sie stirbt, weil sie vergiftet worden ist. Sie stirbt, weil Gott sie geschaffen hatte um mit der katholischen Substanz ernährt zu werden und weil Kurpfuscher ihr die rationalistische Substanz als Nahrung verabreicht haben. Die einzelnen Menschen können sich noch retten, weil sie sich immer retten können. Aber die Gesellschaft ist verloren, nicht deshalb, weil ihre Rettung eine radikale Möglichkeit an sich darstellt, sondern weil die Gesellschaft meiner Überzeugung nach ganz offenbar nicht gerettet werden will. - Juan Donoso Cortés

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast