Schichten in Palatina

Hier stehen alle wichtigen Informationen zu Kultur, Administration, Geschichte, Natur, Militär und Wirtschaft Palatinas im ausgehenden 18. Jahrhundert.
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Schichten in Palatina

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Schichten in Palatina

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Die klassische Geschichtsschreibung zeichnet gerne das Bild einer undurchlässigen, in drei Stände (Klerus, Adel, Bürgertum) geteilte Gesellschaft des Ancien Régime vor der Französischen Revolution. Dass dieses Bild nicht nur einseitig ist, sondern größtenteils auf die Situation in Frankreich selbst abzielt, wurde mittlerweile mehrfach bewiesen. Gerade eine Stadtrepublik wie Palatina besitzt weder einen echten Adel, noch einen Klerus, dessen Privilegien so weit reichten, das man ihm einen eigenen Stand zuordnete. Für die übrigen Stadtrepubliken Italiens, die Reichsstädte in Deutschland, die Schweiz und die Niederlande galt ähnliches.

Für die soziale und politische Einordnung bietet sich in Palatina schon deswegen der Begriff „Schicht“ eher an als „Stand“. Sie besteht in Palatina seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus diesen vier Vertretern:

Nobili
„Die Edlen“. Die eingesessene Oberschicht Palatinas. Sie macht etwa ein Prozent der Bevölkerung aus.

Patrizi
„Die Patrizier“. Das obere Bürgertum Palatinas. Etwas weniger als zwanzig Prozent zählen zu dieser Schicht.

Cittadini
„Die Bürger“. Es handelt sich um das restliche Bürgertum und die obere Unterschicht. Rund die Hälfte aller Palatiner zählen zu dieser Gruppe.

Popolo
„Das Volk“. Der gemeine Pöbel ohne palatinisches Bürgerrecht. Er macht etwa 30 Prozent aus.
Wissen Sie, warum die europäische Gesellschaft stirbt? Sie stirbt, weil sie vergiftet worden ist. Sie stirbt, weil Gott sie geschaffen hatte um mit der katholischen Substanz ernährt zu werden und weil Kurpfuscher ihr die rationalistische Substanz als Nahrung verabreicht haben. Die einzelnen Menschen können sich noch retten, weil sie sich immer retten können. Aber die Gesellschaft ist verloren, nicht deshalb, weil ihre Rettung eine radikale Möglichkeit an sich darstellt, sondern weil die Gesellschaft meiner Überzeugung nach ganz offenbar nicht gerettet werden will. - Juan Donoso Cortés

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Nobili

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Definition
Nobili werden als Kinder bzw. Enkel von Nobili geboren; steigen in den Grad durch Heirat auf; oder werden aufgrund besonderer Dienste dazu erhoben. Nobili wählen bzw. sitzen im Senat und bekleiden zumeist die höchsten Ämter in der Republik. Sie haben jahrhundertealte Erfahrung in der Führung des Staates, so sie nicht auf ihren Landgütern ihre Zeit verschwenden. Sie treten als höhere Offiziere, kunstsinnige Mäzene, Politiker in leitender Funktion, als Senatoren oder Gutsbesitzer auf. Sie übernehmen als Wohltäter, Spender und Stifter oftmals auch karitative Aufgaben und haben Verbindungen zum Klerus.

Geschichte der Nobili in der Zweiten und Dritten Republik
Lange Zeit waren die Nobili die herrschende Schicht Palatinas. Ihre Wurzeln liegen in den alten Familien, die bereits im Hochmittelalter die Geschicke der Stadtrepublik lenkten, namentlich die sog. „Zwölf Familien“. Mit der Eroberung neuer Gebiete und dem Zuzug ausländischer Adliger änderte sich die Zusammensetzung der Nobili ab dem 14. und 15. Jahrhundert: der Landadel der Regionen Borghetto und Castiglione sul Mandro ging in dieser Schicht ebenso auf wie zugezogene Exilanten und andere Adlige, die in den Italienischen Kriegen Zuflucht in Palatina suchten. Zusätzlich gelangten verschiedene Geschlechter, insbesondere des Patriziats, ab dem 16. Jahrhundert in die Reihen der Nobilität. Die Dogen ernannten Männer zu Nobili, wenn diese sich besonders für die Republik einsetzten.

Traditionell saßen die Nobili in der Zweiten Republik (1452-1733) in den beiden Legislativen Palatinas, nämlich exklusiv im Senat und zusammen mit dem Patriziat im Großen Rat. Ab dem 17. Jahrhundert gelang es jedoch dem Patriziat, die Nobilität nach und nach zu entmachten. Der Dünkel der Zwölf Familien, die traditionell Anspruch auf das Amt der Dogen und Dogenberater erhoben, wurde ihnen zum Verhängnis: die Patrizier wussten dies gegen sie auszuspielen und verbündeten sich mit den „Neuen Nobili“. Ab dieser Zeit wählten die Patrizier nur noch Dogen aus Familien, die nicht zu den Zwölf Familien gehörten. Mit den Reformen des Dogen Columbano d’Alano (1693-1714) verloren die Nobili ihren Sitz im Großen Rat – der nun Parlamento hieß – und damit bedeutenden Einfluss. Mit dem Beginn der Dritten Republik (1733-1792) wurden sie sogar de facto von der Wahl des Dogen und der Dogenberater ausgeschlossen. Einzig der Senat verblieb als Hort des Widerstands.

In dieser Zeit der „Patrizierdogen“ resignierte ein nicht geringer Teil der einstigen palatinischen Elite und zog sich auf ihre Landgüter zurück, um sich dort dem privaten – und vor allem – dekadenten Leben hinzugeben. Erst in den 1780ern lehnte sich eine neue Generation gegen die Verhältnisse auf und beanspruchte eine Rückkehr zu älteren Verhältnissen. Diese Gruppe um den Orden der Ritter von San Leone setzte geschickt über Jahre die eigenen Leute an Schlüsselstellen der Dritten Republik, um im Jahr 1792 zurückzuschlagen und die alte Macht wieder einzufordern. Seit 1795 stellt die Nobilität nach sechzig Jahren wieder einen Dogen.

Politische Bedeutung
Die Nobili haben aktives und passives Wahlrecht im Senat. Zusätzlich dürfen sie für alle Ämter kandidieren.

Rangunterschiede zwischen den Familien
Anders als in der Zweiten Republik sind nahezu alle Dünkel zwischen den Zwölf Familien, dem Landadel und später ernannten Nobili verschwunden. Die Ohnmacht in der Ära des Patrizierdogen hat zu einer Stärkung der Verbundenheit untereinander geführt.
Wissen Sie, warum die europäische Gesellschaft stirbt? Sie stirbt, weil sie vergiftet worden ist. Sie stirbt, weil Gott sie geschaffen hatte um mit der katholischen Substanz ernährt zu werden und weil Kurpfuscher ihr die rationalistische Substanz als Nahrung verabreicht haben. Die einzelnen Menschen können sich noch retten, weil sie sich immer retten können. Aber die Gesellschaft ist verloren, nicht deshalb, weil ihre Rettung eine radikale Möglichkeit an sich darstellt, sondern weil die Gesellschaft meiner Überzeugung nach ganz offenbar nicht gerettet werden will. - Juan Donoso Cortés

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Patrizi

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Definition
Die Patrizi bestehen aus dem reichsten Fünftel der palatinischen Gesellschaft. Patrizi vererben ihren Rang nicht, stattdessen wird er alle fünf Jahre nach der Einkommenshöhe bemessen. Die Patrizier wählen bzw. sitzen im Parlamento, der größeren und wichtigeren der beiden Kammern. Angehörige diese Schicht sind meistens wohlhabende Händler und Kaufleute, Bankiers, Schiffseigner, Manufakturbesitzer, Handwerkermeister mit mehreren Betrieben und hohe Beamte. In der Dritten Republik (1733-1792) waren die Patrizier die einflussreichste Schicht und besetzten die höchsten Ämter, in den letzten Jahren wurde ihr Status jedoch wieder auf ein rechtes Maß zurechtgestutzt. In der Politik bekleiden sie hohe Ämter, inklusive das des Dogenberaters. Ähnlich den Nobili versuchen sie Prestige in der palatinischen Gesellschaft zu sammeln, indem sie sich für wohltätige Zwecke einsetzen, andere bezahlen Künstler und Philosophen.

Geschichte der Patrizi in der Zweiten und Dritten Republik
Die Patrizi entstanden in der heutigen Form ab der Zweiten Republik. Der Doge Giambattista dell’Ulivo wollte sich die Unterstützung des reichen Bürgertums sichern, indem er es an der Macht beteiligte. Die Patrizier formten zusammen mit den Nobili den Großen Rat (Maggior Consiglio), das wichtigste Gremium der Legislative. Zuerst noch von den höheren Ämtern ausgeschlossen, konnten sie sich immer größere Macht sichern, indem sie die Nobili gegeneinander ausspielten. Ab dem 17. Jahrhundert entmachteten sie zuerst die Zwölf Familien, ab dem 18. Jahrhundert sogar die gesamte Nobilität mit Ausnahme des Senats.

Die „Dritte Republik“ gilt daher auch als die Zeit des Patriziats. Das Parlamento (wie der Große Rat ohne Nobili nun hieß) war der eigentliche Souverän der Republik geworden, viele Patrizier wünschten sich einen Staat nach Vorbild des britischen Parlamentarismus. Der Rat schrumpfte auf 300 gewählte Vertreter zusammen, statt dass jeder Patrizier dort einzeln vertreten war. Das war angesichts der gewachsenen Größe des Patriziats auch gar nicht anders möglich: machte es um 1600 nur 5 Prozent der palatinischen Gesellschaft aus, waren es um 1750 über 20 Prozent. Die stetige Senkung der Einkommensgrenze für den Patrizierrang hatte dabei entscheidenden Anteil. Viele Palatiner der oberen Bürgerschicht, die heute zu den Patriziern gehören, wären in der Renaissance bloße Cittadini gewesen. 1792 büßten die Patrizier zwar ihre Vormacht ein, als die Nobilität sich ihre alte Stellung zurückerkämpfte, doch nach 60 Jahren des Patrizierdoganats gibt es noch genügend Vertreter dieses Ranges, die wichtige Positionen in der Republik bekleiden, die noch vor hundert Jahren undenkbar gewesen wären.

Die Patrizi sind daher die dynamischste Schicht der Republik. Viele Familien, die noch im 15. und 16. Jahrhundert Patrizi waren, stiegen nach und nach in den Grad der Nobili auf. Da Patrizi sich immer neu beweisen mussten, weil ihr Rang nur von eigener Leistung abhängig ist, führte dies zu einem angeregten Wettbewerb. Durch die Geschichte hindurch waren sie die reichste Schicht des Landes und erkauften sich buchstäblich die Macht - oder heirateten in die Elite ein. Andere Patrizierfamilien, die ihren Wohlstand nicht halten konnten, stiegen wieder in das normale Bürgertum hinab und verschwanden aus den Machtspielen der Republik. Aufgrund von Abstiegsängsten wird in Patrizierfamilien daher häufig das gesamte Erbe an eine Person verteilt, damit diese in der Nachfolgegeneration den Rang halten kann; in der Hoffnung, dass es irgendwann gelingt, den erblichen Nobile-Titel zu erlangen.

Politische Bedeutung
Die Patrizi haben aktives und passives Wahlrecht im Parlamento. Ihnen stehen alle politischen Ämter offen – mit Ausnahme des Dogen selbst. Die Erfahrungen der Dritten Republik wirken immer noch nach. Da Patrizier anders als Nobili arbeiten müssen und meistens ein Unternehmen leiten, mischt sich nur ein Bruchteil aktiv in die republikanischen Geschäfte ein.

Rangunterschiede
In der Dritten Republik dominierten zwei Gruppen das Parlamento: die Mercanti (Händler) und die Artigiani (Handwerker). Wenige Jahre nach dem Ende der Patrizierdogen lebt dieser Gegensatz immer noch nach, der das Erbe eines jahrhundertelangen Streits ist. Handwerker sind wirtschaftlich eher protektionistisch, Händler eher auf den Freihandel ausgerichtet. Bis heute existieren immer noch Animositäten zwischen beiden Gruppen, die jedoch im Zuge der Fraktionsbildung und Ideologisierung zurückgegangen ist.
Wissen Sie, warum die europäische Gesellschaft stirbt? Sie stirbt, weil sie vergiftet worden ist. Sie stirbt, weil Gott sie geschaffen hatte um mit der katholischen Substanz ernährt zu werden und weil Kurpfuscher ihr die rationalistische Substanz als Nahrung verabreicht haben. Die einzelnen Menschen können sich noch retten, weil sie sich immer retten können. Aber die Gesellschaft ist verloren, nicht deshalb, weil ihre Rettung eine radikale Möglichkeit an sich darstellt, sondern weil die Gesellschaft meiner Überzeugung nach ganz offenbar nicht gerettet werden will. - Juan Donoso Cortés

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Cittadini

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Definition
Aufgrund historischer Umstände, die an anderer Stelle ausführlicher erläutert sind, fällt die Verbreitung des Bürgerrechts in Palatina sehr hoch aus: Knapp die Hälfte aller Palatiner sind Cittadini. Die Kinder von Cittadini sind automatisch ebenfalls Cittadini, zudem kann das Bürgerrecht gegen eine feste Gebühr von der Republik erworben werden. Vom Patriziat trennt sie das geringere Einkommen, das mit politischer Einflussnahme einhergeht. Die Bandbreite der Berufe reicht von einfachen Händlern und Handwerkern über Ärzte, Juristen, Gelehrte bis hin zu gewöhnlichen Priestern und Ordensleuten. Der Mittelbau der großen staatlichen Institutionen – ob Militär oder Ministerien – rekrutiert seine Leute ebenfalls aus dieser Schicht. Die Cittadini haben über die Jahrhunderte ihre politischen Rechte komplett eingebüßt.

Geschichte der Cittadini in der Zweiten und Dritten Republik
Obwohl die gewöhnlichen Bürger Palatinas bereits 1359 ihre eigene Vertretung – die Volksversammlung – unter der Herrschaft der Markgrafen von Malpazzi verloren hatten, war die Zweite Republik (1452-1733) immer noch ein Zeitalter, in dessen erster Hälfte die Cittadini durchaus Mechanismen kannten, um Einfluss auf das Stadtleben zu nehmen. Die meisten Cittadini waren in Zünften organisiert, von denen der jeweilige Zunftmeister häufig im Großen Rat saß. Ähnliches galt für die Universität, die durch den Rektor im Rat vertreten wurde. Darüber hinaus waren viele Händler in einem Abhängigkeitsverhältnis zu reichen Kaufleuten, die als Patrizier auch deren Interessen vertraten. Viele Ministerialbeamte waren überdies nur einfache Cittadini; andere stiegen über das Militär in wichtige Positionen auf.

Die indirekte Partizipation sicherte der Zweiten Republik in ihrer ersten Phase eine ungeheure Stabilität, weil sie die Interessen der Bürger beachtete, auch ohne deren direkte Involvierung. Angesichts eines noch viel größeren Anteils der Cittadini an der palatinischen Gesellschaft in der Renaissance – Experten gehen von 70 bis 80 Prozent aus – war dies anders auch gar nicht möglich. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts litt jedoch diese Schicht mehr als jede andere unter den sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen. Das Gildensystem war mit seinem Protektionismus nicht mehr so wettbewerbsfähig wie in den Jahrhunderten davor. Das lag einerseits an den viel zu hohen Preisen, andererseits am Aufstieg vermögender Cittadini, die sich nicht mehr an die Zunftregeln hielten und quasi-freiberuflich arbeiteten, um konkurrenzfähig zu bleiben. Mit dem Ende der Universität verloren die Studenten und Professoren ihre Vertretung; die englische Konkurrenz im Handel zerstörte die Kleinhändler. Das Beziehungsnetz, auf dem der indirekte Einfluss der Cittadini beruhte, wurde obsolet.

Insbesondere in der Dritten Republik (1733-1792) sahen die Cittadini größerer Verarmung als in den Jahrhunderten zuvor entgegen. Zwar senkte die Republik die Einkommensgrenze, weshalb weite Teile der reicheren Cittadini in den Patrizierstand aufstiegen, doch sahen sich die anderen umso mehr um ihren Anteil am politischen Geschäft und am Wohlstand der Republik betrogen. Gerade der gebildete Teil der Cittadini orientierte sich immer mehr in Richtung aufgeklärter Ideen. Indes wurde das Militär als Alternative zum Handwerk und Händlertum immer attraktiver, um ein geeignetes Auskommen zu haben.

Politische Bedeutung
Cittadini dürfen keines der politischen Gremien Palatinas wählen. Seit dem Niedergang der Gilde und dem Ende der Universität sitzt auch kein Cittadino mehr in irgendeiner Funktion in einem politischen Amt. Der Status hat in den letzten Jahren zu Unruhe in dieser Schicht geführt und sie für revolutionäre Ideen empfänglich gemacht.

Rangunterschiede
Die frühere Homogenität der Cittadini hat seit der Aufklärung nachgelassen. Paradoxerweise halten sich jene bürgerlichen Schichten, die sich der Aufklärung verschreiben, für etwas Besseres, weil sie gebildeter und politisch engagierter sind – obwohl gerade sie immer wieder die Gleichheit aller Menschen postulieren. Bei den einfachen Handwerkern hat das zu einer gewissen Distanz zu eben jener Gruppe aus Apothekern, Ärzten, Juristen und Kaffeehausbesuchern geführt, die nicht durch Fleiß, sondern durch Revolution ihren Adel verdienen wollen.
Wissen Sie, warum die europäische Gesellschaft stirbt? Sie stirbt, weil sie vergiftet worden ist. Sie stirbt, weil Gott sie geschaffen hatte um mit der katholischen Substanz ernährt zu werden und weil Kurpfuscher ihr die rationalistische Substanz als Nahrung verabreicht haben. Die einzelnen Menschen können sich noch retten, weil sie sich immer retten können. Aber die Gesellschaft ist verloren, nicht deshalb, weil ihre Rettung eine radikale Möglichkeit an sich darstellt, sondern weil die Gesellschaft meiner Überzeugung nach ganz offenbar nicht gerettet werden will. - Juan Donoso Cortés

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Popolo

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Definition
Mit dem Popolo wird das gemeine Volk bezeichnet, das kein Bürgerrecht besitzt. Bilden die drei oberen Gruppen als Inhaber des Bürgerrechts einen Korpus, sowie die Nobili und Patrizi einen eigenen als herrschende Schicht, so ist der Popolo die besitzlose Unterschicht, die auch keinen rechtlichen Schutz durch den palatinischen Staat genießt. Typische Angehörige des Popolo sind: Mägde, Boten, Gehilfen, Lastenträger, Prostituierte, Gaukler und sonstiges fahrendes Volk, Tagelöhner, Bettler – man dürfte nun endlich eine Idee haben, was gemeint ist. Die meisten Angehörigen des Popolo sind Einwanderer, die ihr Glück in Palatina versucht haben, oder Nachfahren derselben. Viele wohnen zur Miete oder bei einem Herrn.

Geschichte des Popolo in der Zweiten und Dritten Republik
Volk gab es immer. Keiner weiß, wann es entstand und wo es herkam, und viele hielten diese Entwicklung für einen Schritt in die falsche Richtung. Es umfasste immer den Teil der Bevölkerung, das als bürgerrechtslose Masse keine Rechte als Bürger Palatinas reklamieren konnte, keinen Boden kaufen oder Häuser bauen durfte. Ohne Bürgerrechte war ihm auch die Mitgliedschaft in den Zünften der Großen Gilde verwehrt, weswegen sie kein Handwerk ausüben durften. Das galt für die Renaissance und das gilt auch für heute.

Ein Unterschied zur Renaissance: die Masse. Der Anteil des Popolo an der palatinischen Bevölkerung ist permanent gestiegen. Am Anfang der Zweiten Republik gehörte nur ein Fünftel zu dieser Schicht, am Ende der Dritten Republik macht der Popolo nahezu ein Drittel aus. Die Republik hat in den letzten anderthalb Jahrhunderten den Preis des Bürgerrechts stetig erhöht, Heiraten zwischen Bürgern und gemeinem Volk sind nahezu ausgeschlossen. Die Besitzstandswahrung in Zeiten der Krise führte dazu, dass die Palatiner darauf Acht gaben, eher die Privilegien der eigenen Leute zu wahren.

Der größte Teil des Popolo ist immer noch darauf aus, irgendwie über die Runden zu kommen, und möglicherweise eines Tages das Bürgerrecht zu erwerben. Dabei hat sich die Situation für einen bestimmten Teil des Popolo sogar noch verschlimmert. In den Kohleminen des Ansedonischen Gebirges schuften die Arbeiter unter lebensgefährlichen Bedingungen. In den Manufakturen hat der Schichtbetrieb gewonnen, der nicht mit der früheren Handwerksarbeit zu vergleichen ist, die großzügigere Umstände vorhersah. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts bildet sich eine Unterschicht der Unterschicht, die außer ihren Nachkommen nichts im Leben hat.

Politische Bedeutung
Gottseidank keine. Wäre ja noch schöner, wenn die Gosse wählen dürfte.

Rangunterschiede
Pöbel ist Pöbel – mag man meinen. Tatsächlich existiert jedoch ein signifikanter Unterschied in einem Fall: nämlich bei den einfachen Soldaten. Obwohl zur untersten Schicht gehörig, haben sie ein recht gutes Auskommen, und können nach ihrem Dienst oder durch besondere Leistung das Bürgerrecht erwerben. Einige bekommen auch Land geschenkt. Aufgrund des Prestiges, das die Armee als Stabilisator in der Dritten Republik erworben hat, schaut man auf Soldaten womöglich etwas abschätziger als auf normale Cittadini, jedoch nicht so abschätzig wie auf den Rest des Pöbels.
Wissen Sie, warum die europäische Gesellschaft stirbt? Sie stirbt, weil sie vergiftet worden ist. Sie stirbt, weil Gott sie geschaffen hatte um mit der katholischen Substanz ernährt zu werden und weil Kurpfuscher ihr die rationalistische Substanz als Nahrung verabreicht haben. Die einzelnen Menschen können sich noch retten, weil sie sich immer retten können. Aber die Gesellschaft ist verloren, nicht deshalb, weil ihre Rettung eine radikale Möglichkeit an sich darstellt, sondern weil die Gesellschaft meiner Überzeugung nach ganz offenbar nicht gerettet werden will. - Juan Donoso Cortés

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