Die Große Waffenmanufaktur von San Pietro


Einst bannte San Pietro der Mythos des Arsenale, jenes abgeschotteten Gebietes, in dem Wunder geschehen sollten: Schiffe baute die palatinische Marine in Tagen, Seilereien und Segelmacherwerkstätten arbeiteten im Rekordtakt, und immer wieder dröhnte Lärm wie aus der Hölle. Letzterer ist geblieben: infernalische Töne dröhnen über die Kanäle, wenn man sich diesem Teil San Pietros nähert. Doch das Arsenale ist längst vergangen, und nicht ein einziges Mal sah man solche Schlote in die Himmel ragen, aus denen schwarzer Rauch empor stieg, roch auch keinen Schwefel. Es ist, als hätten sich die alte Zinnbrücke mit dem alten Arsenale vermählt und etwas neues geschaffen: die Waffenmanufaktur von San Pietro ist kein Wunder, eher eine dämonische Einrichtung, die Kohle und Erz aus dem Umland wie ein Monster verschlingt. Täglich kommen die Ressourcen über Lastkähne nach San Pietro, legen hier oder im Hafen an, und werden über Loren in den Schlund eines Lagers gefahren.
Die Waffenmanufaktur nimmt eine ganze Insel des Stadtteils ein, liegt unweit der Zitadelle – und gilt als wichtigster ziviler Arbeitgeber. Dabei wissen selbst die Kinder aus den Schemen, dass das Militär die indirekte Kontrolle über diesen größten Betrieb Palatinas ausübt. Manche behaupten, hunderte von Arbeitern verrichteten hier täglich ihr Werk, um Kanonen, Bombarden, Säbel und Hinterlader herzustellen, welche an die Kriegsindustrie Europas weiterverkauft wird. Seit dem Dreißigjährigen Krieg ist Palatina in das Waffengeschäft eingestiegen und hat damit zumindest ansatzweise die verlorene Rolle als klassische Handelsrepublik wettmachen können. Wissenschaftler von der Akademie forschen in einem eigenen Departement an neuen Waffentechniken, um die Effizienz und Schusskraft zu testen, nicht selten proben sie neue Geschütze im Umland der Stadt und notieren die Ergebnisse.
Im Inneren dagegen schieben Kinder Loren über ein ausgeklügeltes Schienennetzwerk zu Schmelzöfen, Presswerken, Gießereien und von dem Wasser der Kanäle betriebene Eisenhämmer, die auf Amboss und Schichtvorrichtungen treffen. Es rammt, knallt, zischt, surrt und rattert im Konzert, indes in Tiegelöfen der erste Stahl der Republik geschmiedet wird – nach Vorbild aus dem englischen Sheffield. Aus England stammen auch immer wieder neue Innovationen in diesem Bereich, die über die guten Kontakte zu London an den Rio dringen. Die unübersehbaren sozialen Probleme nimmt man dabei wohlwollend in Kauf; mittlerweile hat man auf der Insel der Waffenmanufaktur auch Quartiere für die Arbeiter errichtet, doch wohnt die Mehrzahl in heruntergekommenen Kaschemmen in nächster Nähe, und arbeiten für einen im Vergleich zu früheren Handwerksgehältern mickrigen Lohn.