Farthest Frontier

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Marco Foscari
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Farthest Frontier

Beitrag von Marco Foscari »

Ich habe mir gestern aus einer Laune an einem Ausgleichtag "Farthest Frontier" zugelegt. Seit schlechten Erfahrungen mache ich eigentlich einen weiten Bogen um Early Acess Titel, aber ich war dann von einem Let's Play so überzeugt, dass ich es mir mal eben gönnte.

Und was soll ich sagen: positiv überrascht. Nicht uninteressante Mischung aus Elementen von Siedler, Anno und RTS-Spielen. Man bekommt in der EA-Version schon so viel geliefert, was man mittlerweile als vollwertig im A-Spiele-Bereich versteht (was nur etwas über den Niedergang des Genres aussagt, mehr nicht). Einige sprechen vom geistigen Banished-Nachfolger, aber deutlich größer und besser.

Ab davon, dass es eine für neuere Titel angenehme Auswahl an Produktionslinien gibt, haben mich einige Details besonders überrascht. So muss man die Fruchtfolge auf den Feldern festlegen, damit diese nicht an Fruchtbarkeit verlieren - also realistische Dreifelderwirtschaft der Vormoderne. Jede Pflanzen hat dabei spezifische Eigenschaften: Karotten und Rüben sind gut in frostigen Monaten, andere besser im Sommer, wieder andere laugen den Boden mehr aus als andere, manches Gemüse gedeiht nur schlecht auf harten Böden, andere sorgen dafür, dass Nitrate im Erdreich bleiben; außerdme spielt das Sand-Ton-Verhältnis im Acker eine Rolle (das man beeinflussen kann). Ach ja: und pflanzliche, tierische wie menschliche Abfälle gedeihen mit der Zeit als Kompost, um die Felder zu verbessern. Das habe ich angesichts des "Casual"-Trends so gar nicht erwartet.

Selbst in späteren Phasen ringt man immer noch darum, für den Winter genügend Vorräte anzulegen, ob aufgrund ausgedörrter Böden, plötzlichen Frühlingsfrostes oder Pflanzenkrankheiten. Das ist fordernd, es macht aber die Welt von FF so glaubwürdig. Neue Bewohner kommen nur, wenn die Zufriedenheit stimmt. Und manchmal sind neue Bürger sogar ein ziemliches Laster, weil man eigentlich endlich an einem "stabilen" Punkt ist, und die Balance dann wieder kaputt.

Der Überlebensaspekt ist dabei deutlich ausgeprägter als bei Anno. Etwa ab dem 7. Jahr kommen Plünderer und stehlen, brandschatzen und morden. Schon davor sind wilde Tiere eine Bedrohung. Später kann man nicht nur Mauern bauen, sondern auch Soldaten ausbilden. Man kann das aber auch alles ausschalten, wenn man friedlich siedeln will. Herausforderungen gibt es da schon genügend, weil die Ressourcne manchmal nur knapp oder weit verteilt sind.

Angenehm fiel mir die Progression im Spiel auf. In letzter Zeit gab es in solchen Spielen viel zu schnelle Erfolge. Hier kann man einem Außenposten wirklich zusehen, wie er über Jahre zu einer prosperierenden Siedlung wächst. Die ersten beiden Jahre sind Beeren und Jagd entscheidend, danach kann man vorsichtig den Ackerbau planen. Jeder Baum, jeder Busch und jeder Stein muss von den Einwohnern erst entfernt werdne, bevor sie dort bauen können. Feldwege anzulegen dauert Zeit, Steinstraßen erst recht. Aber alles hat einen spürbaren Effekt.

Anders als bei anderen Spielen ist Brot keine sichere Bank, weil Weizen ein sensibles Gewächs ist; manchmal muss man das Korn lange einlagern und greift darauf erst zurück, wenn eine Hungersnot droht. Ähnlich wie Anno werden die Bedürfnisse mit der Zeit mehr, und zugleich entwickelt sich auch die Möglichkeiten, insbesondere sensible Nahrungsmittel wie Gemüse und Obst einzulegen und besser zu lagern - nicht nur der normale Verbrauch, sondern auch das Verdorren und Verderben der Nahrungsmittel ist ein Langzeitproblem. Vieles von dem, was man in der Natur im Sommer gefunden hat, ist im Winter schon wieder ungenießbar. Fleisch und Fisch können geräuchert, Beeren und Gemüse als Kompott eingelegt werden - vorausgesetzt, man hat Sand für Gläser ...

Lange Rede kurzer Sinn: spannendes Spiel, vor allem, wenn man daran denkt, dass es noch in der Mache und nicht final ist. Dabei selbstverständlich: sieht auch noch hübsch aus. Das offene Straßenraster und das grundlegende Design gibt einem die Möglichkeit, glaubwürdige Städte zu bauen - es gibt keinen festen historischen Hintergrund, der Baustil weist jedoch deutlich auf die Frühe Neuzeit hin.
In dem Moment, da sich der Staat von seinen kulturellen Fesseln löst – der Kirche, zivilen Institutionen, Sitten und Bräuchen – wendet sich nicht nur der Bauer gegen den Adligen, sondern auch der Arme gegen den Reichen; aus Gleichheit vor dem Recht pervertiert die Vorstellung sozialer Gleichheit. Zuletzt wendete sich gar der Idiot gegen das Genie, weil dieser das Verbrechen begangen hat, anders zu sein als er selbst. - Vittorio Barzoni

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Enrico Albizzi
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Re: Farthest Frontier

Beitrag von Enrico Albizzi »

Klingt wirklich sehr gut.

Ich finde Artwork und Ingame Screens sehr ansprechend, höre allerdings nun in deiner Rezension vor allem Boden, Früchte, Brot,... Ist es also richtig, dass es vor allem auch eine art argrarische Simulation ist?

Erinnert mich daran, gleich endlich mal die "Old World" Demo zu spielen, die ich vor einigen Wochen installiert hatte... ^^
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Marco Foscari
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Re: Farthest Frontier

Beitrag von Marco Foscari »

Nein, so würde ich das nicht sagen. Eher, dass die Landwirtschaft den Platz hat, den sie reell auch besaß. Zumindest näherungsweise.
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