Die Piazza dell'Arte

Das schmucke Kanalviertel beherbergt den selbstbewussten Mittelstand der Stadt, in dem aufklärerische und jakobinische Ideen Fuß gefasst haben. Das Kaffeehaus, die Akademie und die Freimaurerloge gelten als intellektueller Treffpunkt und politischer Unruheherd.
Antworten
Benutzeravatar
Die Signoria
Im Namen der Republik
Im Namen der Republik
Beiträge: 100
Stadtteil: Città Antica
Gesinnung: Reaktionär

Die Piazza dell'Arte

Beitrag von Die Signoria »

Die Piazza dell'Arte

Bild

In Kombination mit dem Paulusplatz (Piazza San Paolo) und dem Opernplatz (Piazza dell’Ermelino) bildet der Kunstplatz (Piazza dell’Arte) ein Dreieck, um das sich das Viertel von San Paolo herumgruppiert. Der Kunstplatz ist einer der jüngsten Plätze der Stadt und entstand in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es handelte sich ursprünglich um eine Straße, die hier auslief und sich zu einem offenen Gelände ausweitete. Besondere Bedeutung hatte die Schenkung der Biblioteca dell’Ulivo an eine philosophische Gesellschaft; genannte Biblioteca war der Vorgängerbau der heutigen Akademie, die als lang gezogenes Gebäude den Platz beherrscht. Gegenüber davon liegen Wohngebäude von Professoren und anderen Gelehrten, sowie Studentenheime. Den Platz schließt das Theater „Leocorno“ auf der anderen Seite ab.

Oft schlendern Bibliothekare, Forscher, Archivare und Lehrpersonal über den weiten Platz – oder eben Studeten, die zu spät zu ihrem Vortrag erscheinen. Seltener erscheinen Mäzene aus der Schicht der Nobili oder Patrizier, um ihre Studien zu vertiefen. Die Mittelschicht dagegen genießt die neuen Stücke im „Leocorno“, wo das Revolutionstheater an Boden gewonnen hat.
Wissen Sie, warum die europäische Gesellschaft stirbt? Sie stirbt, weil sie vergiftet worden ist. Sie stirbt, weil Gott sie geschaffen hatte um mit der katholischen Substanz ernährt zu werden und weil Kurpfuscher ihr die rationalistische Substanz als Nahrung verabreicht haben. Die einzelnen Menschen können sich noch retten, weil sie sich immer retten können. Aber die Gesellschaft ist verloren, nicht deshalb, weil ihre Rettung eine radikale Möglichkeit an sich darstellt, sondern weil die Gesellschaft meiner Überzeugung nach ganz offenbar nicht gerettet werden will. - Juan Donoso Cortés

Benutzeravatar
Antonio Foscari
Überdramatiker
Überdramatiker
Beiträge: 12
Stadtteil: San Paolo
Schicht: Nobiluomo
Beruf: Literat

Re: Die Piazza dell'Arte

Beitrag von Antonio Foscari »

Ein winziges Feuer flackert in der Dunkelheit des Freitagabends auf. Während Sanitäter Verletzte aus dem Theatergebäude tragen, und Verwundete in einem provisorischen Lazarett auf der Piazza Verbände angelegt bekommen, lehnt Antonio mit dem Rücken an einer nahen Hauswand, schaut desinteressiert in den Himmel, wo Wolken mit Sternen und Mond ringen.

Weißer Meerschaumstein einer Pfeife blitzt im spärlichen Licht. Das Foscari-Wappen darauf.

Auf einer Arkadensäule hängt ein Plakat, das den "Brutus" von Alfieri für den heutigen Abend ankündigt, mit einem "Tragischen Vorspiel fischig-neapolitanischer Art" davor. Eine schwache Vorstellung, wie Antonio eingesteht. Eine unreife Adaption eines Volksstücks, die die Unmöglichkeit der Liebe angesichts von Netzwerken, Verstrickungen, Familie und prinzipiell jeder menschlichen Bindung beschrieb. Freiheit war unmöglich. Die Gewalt tat ihr Übriges. Aber Gewalt war weniger das Problem als menschliche Disposition. Wer glaubte, dass 70 gestemmte Kolubrinen das Problem waren, und nicht etwa der Fisch, der diese trug, war mindestens so gefährlich wie der 70 Kolubrinen stemmende Fisch selbst.

Pfeifenrauch quält sich in die Frühlingsluft. Nachdenklich schweift Antonios Blick zum "Leocorno", von wo die Stimmen der Hauptvorführung es bis auf den Platz schaffen. Das Hauptspiel war im Gange. Das Ensemble war solche Veranstaltungen gewöhnt, und daher auch, das Bühnenbild innerhalb weniger Minuten wieder herzurichten. Es hatte schon vor Antonios Debüt ganz andere Darstellungen gegeben. Zumindest im Bereich möglichst vieler verletzter Schauspieler und maßloser Verwüstung bewies er Tradition.


Ser Foscari?

Hm?

Mehr kommt aus Antonio, der die Pfeife im Mund hat, nicht raus. Ein Theaterzuschauer lächelt ihn freundlich an.

Gelungenes Stück.

Fand ich nicht.

Antonio schaut ernst zur Seite. Er mochte es nicht, auf der Bühne zu stehen, weil das Publikum ihn angaffte; vom Publikum auf der Straße angegafft zu werden, war nicht weniger unangenehm.

Ich kann versichern, dass sehen viele Besucher anders.

Es gab keinen Applaus.

Wegen der Überwältigung, nur der Überwältigung wegen!

Der Librettist nimmt die Pfeife aus dem Mund. Er schaut den Verehrer kritisch von der Seite an.

Es ist genau das, was das Theater derzeit braucht.

Antonio ist ehrlich verwundert.

Tatsächlich?

Ja! meint der Mann eifrig Ein erstklassiges Revolutionsdrama!

Revolutions ...?

Die offensichtliche Anspielung hat jeder in meinem Block verstanden. Der Mönchsfisch als Vertreter der aufstrebenden, wohlhabenden Mittelschicht. Die Sardelle als Personifikation der umworbenen Freiheit und Menschenrechte. Die repressive Hand von Royalisten und Reaktionären, die nur die Gewalt kennen, um die ehrlich umworbenen Rechte und Freiheiten abspenstig zu machen. Der entbrennende, revolutionäre Kampf, der alles in Schutt und Asche legt, weil es die Reaktion so gewollt hat. Eine erstklassige politische Parabel!

Leuchtende Augen. Er sieht in leuchtende Augen und hört Wörter und Sätze ohne Punkte und Komma. Der Zuschauer war ernsthaft beeindruckt.

Aber Antonio nickt nur.


Schön.

Weiter sagt er nichts zum eigenen Werk. Dann entfernt er sich.

Wünsche eine gute Nacht.

Dann geht er stumm unter den Arkaden davon. Er dreht sich nicht um. Kümmert sich auch nicht um die Hauptaufführung im Theater, die er mitbetreuen sollte. Er verbirgt sein Gesicht mehr denn je im Kragen.

Der Tabakgeschmack hatte sich in wenigen Sekunden von Genuss in Bitterkeit gewandelt.


Wieder in der Casa Andromache

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast