Die Akademie

Das schmucke Kanalviertel beherbergt den selbstbewussten Mittelstand der Stadt, in dem aufklärerische und jakobinische Ideen Fuß gefasst haben. Das Kaffeehaus, die Akademie und die Freimaurerloge gelten als intellektueller Treffpunkt und politischer Unruheherd.
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Die Signoria
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Die Akademie

Beitrag von Die Signoria »

Die Akademie der Wissenschaften

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Die Akademie entstand im Jahr 1713 und wurde von palatinischen Gelehrten ins Leben gerufen, die in Großbritannien von der Royal Society inspiriert wurden. Im Gegensatz zur Royal Society war die „Società per lo sviluppo della conoscenza naturale“ (wie sie offiziell hieß) nie eine staatliche oder gar nationale Einrichtung, sondern blieb frei von politischer Einmischung. Die Gründung erfolgte durch Ex-Universitarier, die mit den Forschungsmethoden der Universität nicht übereinstimmten und ihren ehemaligen Kollegen Engstirnigkeit und übertriebenen Konservatismus vorhielten. Zudem blieb der Lehrbetrieb in der Akademie von Anfang an auf wenige Studenten beschränkt, während die Universität sich stets als breit aufgestellte Lehranstalt sah.

In ihren ersten Jahren wurde die Akademie massiv vom Patriziat und der progressiven Nobilität unterstützt. Der Grundstock war die Bibliothek von Baldassare dell’Ulivo, der diese der neugegründeten Gesellschaft im Jahr 1715 schenkte. Da sich die Akademie vor allem naturwissenschaftlichen Feldern zuwandte, erhofften sich die Patrizi Verbesserungen für die Schifffahrt und die Nobili Neuerungen in der Agrikultur. Tatsächlich lieferten die Akademiker nach zehn Jahren neue Erkenntnisse zur Entwässerung von Sümpfen und Urbarmachung von Land in der Bassa Mandrana, ansonsten machten sie sich einen Namen für die Einführung französischer und britischer Erfindungen in Palatina.

Bald wurde die Akademie zu einem veritablen Konkurrenzprojekt der schwerfälligen Universität, die bereits seit Jahren in der Krise steckte. Viele Gelehrte wechselten von der Città Antica in die Città Nuova, als die Akademie ihr Angebot auch um eine philosophisch-historische Sparte erweiterte. Studenten rissen sich darum, hier lernen zu dürfen, doch die Akademie beharrte auf ihrem hohen Niveau. Die Universität war zu einer Bildungseinrichtung zweiter Klasse degradiert worden. Nach dem Erdbeeben von 1743, das die Altstadt schwer beutelte, unterließ man einen Wideraufbau der niedergewirtschafteten Universität. Buchbestände wechselten mit Gelehrten an die Akademie, die über Jahre durch Spenden und Schenkungen immens gewachsen war.

In der Folgezeit erweiterte die Akademie nicht nur ihren Hauptbau – in dem sich weiterhin die naturwissenschaftliche und mathematische Abteilung, sowie die Bibliothek befand – sondern gründete auch innerhalb der Stadt neue Institute. So entstand in San Paolo eine eigene Kunstakademie mit Gemäldegalerie, in der Città Nuova errichteten die Akademiker ein Observatorium. Die Geschichte der Akademie ist damit eine der wenigen palatinischen Erfolgsgeschichten des 18. Jahrhunderts – aber sie hat ihren Preis.

Denn die Società academica di Palatina – wie sie mittlerweile nur noch genannt wird – ist zugleich einer der Brandherde liberalen Gedankenguts. Kein Professor, der nicht im Kaffeehaus über die Revolution redet oder in Clubs über Menschenrechte debattiert; wenige, die ihren akademischen Nachwuchs nicht mit dem Feuer liberaler Ideale anstecken oder provokante Schriften verfassen; kaum jemand, der nicht am Wochenende die aufrüherischen Revolutionsdramen im „Leocorno“ verfolgt oder verbotene Schriften aus Frankreich weiterschmuggelt; und nur einige Ausnahmen, die nicht in der Freimaurerloge Mitglied sind, oder wenigstens mit einem Mitglied befreundet sind.

Das Militär hätte die Akademie längst dichtgemacht – wenn nicht einige der besten Artilleristen an der mathematischen Sektion ihre Erkenntnisse gewonnen hätten, und man um die militärtechnologischen Meilensteine bangt, die hier gewonnen werden.

Orientierung

Erdgeschoss: Große Halle mit Information, Lehrräume, Verwaltung

1. Etage: Forschungsräume, Laboratorien, Bibliothek

2. Etage: Professorenbüros, Akademiekasse, Sitzungssäle
Wissen Sie, warum die europäische Gesellschaft stirbt? Sie stirbt, weil sie vergiftet worden ist. Sie stirbt, weil Gott sie geschaffen hatte um mit der katholischen Substanz ernährt zu werden und weil Kurpfuscher ihr die rationalistische Substanz als Nahrung verabreicht haben. Die einzelnen Menschen können sich noch retten, weil sie sich immer retten können. Aber die Gesellschaft ist verloren, nicht deshalb, weil ihre Rettung eine radikale Möglichkeit an sich darstellt, sondern weil die Gesellschaft meiner Überzeugung nach ganz offenbar nicht gerettet werden will. - Juan Donoso Cortés

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Amanda Sonorati
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Re: Die Akademie

Beitrag von Amanda Sonorati »

Die Sonne strahlt durch die hohen Fenster der Akademie und taucht den Raum in ein warmes, goldenes Licht. Amanda Sonorati steht an der Tafel, die Kreide in der Hand, und zeichnet die geometrischen Figuren eines antiken Problems nach. Der Raum ist still, bis auf das leise Kratzen der Kreide und das gelegentliche Rascheln von Papier. Ihre Stimme ist ruhig und präzise, als sie über die Werke des Euklid und Pythagoras spricht. Sie erklärt die Grundlagen der Geometrie, die das Fundament der Mathematik seit Jahrhunderten bilden.

„Seht ihr, wie sich das Quadrat der Hypotenuse gleich der Summe der Quadrate der Katheten verhält?“, fragt Amanda und hebt den Zeigefinger, als wolle sie die Bedeutung dieser einfachen Wahrheit unterstreichen. „Dies ist eine der edelsten Entdeckungen der antiken Welt, ein Prinzip, das noch heute, in jeder Ecke der Wissenschaft, von Bedeutung ist.“

Die Studenten hören aufmerksam zu, die Köpfe leicht geneigt, einige mit dem Blick auf ihre Aufzeichnungen, andere in stiller Konzentration. Amanda hat sich immer bemüht, ihre Vorlesungen nicht nur informativ, sondern auch inspirierend zu gestalten. Sie weiß, dass es nicht nur um das Wissen geht, das sie weitergibt, sondern auch um die Haltung gegenüber diesem Wissen.

„In der Antike“, fährt sie fort, „gab es eine Zeit, in der der Glaube an eine universelle Ordnung die Grundlage aller wissenschaftlichen Bemühungen bildete. Die Zahlen, die Geometrie – sie waren mehr als bloße Werkzeuge. Sie waren Spiegelbilder der kosmischen Harmonie.“

Sie dreht sich ein wenig und blickt über den Raum.

„Das ist es, was auch heute noch in unserer Naturphilosophie von Bedeutung bleibt.“

Gerade als sie sich wieder der Tafel zuwendet, hebt eine Studentin die Hand. Amanda hält inne und nickt, um ihr das Wort zu geben.

„Signora Sonorati - verstehe ich das richtig? Sie sprechen hier über Ideen, die mehr als zweitausend Jahre alt sind. Glauben Sie wirklich, dass diese Konzepte noch für uns von Bedeutung sind? Gerade in einer Zeit, in der die Wissenschaft in eine völlig neue Richtung geht?“

Ihre Miene ist ernst, beinahe fordernd.

Ein leises Murmeln geht durch den Raum. Amanda bleibt ruhig und wendet sich der Studentin zu, ihr Blick bleibt unerschütterlich.


„Eine berechtigte Frage“, sagt sie, ohne zu zögern. „Ja, die Ideen, die wir heute als die Grundlagen der Mathematik und Geometrie verstehen, sind alt. Sie stammen aus einer Welt, die von uns entfernt scheint, in mancher Hinsicht weit entfernt. Aber wir müssen erkennen, dass diese alten Ideen das Fundament sind, auf dem wir bauen.“

Die Studentin schnaubt leise, fast unmerklich, und ihre Augen verengen sich. „Und glauben Sie, dass wir wirklich weiterkommen können, wenn wir uns nur an diesen alten Prinzipien festklammern? Ist es nicht Zeit, den alten Ballast abzuwerfen und uns den neuen Ideen zu öffnen?“ Ihre Stimme wird schärfer.

Amanda nimmt einen Moment, um nachzudenken, dann tritt sie von der Tafel weg und geht langsam zu ihrem Pult, wo sie sich einen Moment lang stützt.

„Es gibt keine Grenze zwischen dem Alten und dem Neuen“, sagt sie ruhig, ihre Stimme bleibt fest, aber nicht hart. „Wir sind das Produkt von Jahrhunderten des Denkens, der Entdeckungen und des Zweifels. Diese Entdeckungen – die von Euklid, von Pythagoras, von Archimedes – sie sind nicht einfach das Relikt einer vergangenen Ära. Sie sind ein Teil von uns, weil sie die Grundlage unserer eigenen Entdeckungen bilden.“

Sie geht ein paar Schritte, ihre Augen blicken ruhig auf die Studenten, bevor sie weiterspricht.

„Der Mathematiker von heute arbeitet nicht isoliert, in einem leeren Raum der Ideen. Er ist auf die Arbeit von denen angewiesen, die vor ihm kamen. Ohne diese Grundlagen hätten wir die Fortschritte, die wir heute feiern, nicht erreicht. Das moderne Wissen, das wir erlangen, baut auf den Prinzipien auf, die von den alten Denkern formuliert wurden. Sie sind der Anker, der uns hilft, uns in der Komplexität der heutigen Welt zurechtzufinden.“

Die Studentin sieht Amanda weiterhin mit einer Mischung aus Zweifel und Neugier an. Sie öffnet den Mund, als wolle sie widersprechen, doch Amanda fährt fort, bevor sie etwas sagen kann.

„Aber“, fügt sie hinzu, „das bedeutet nicht, dass wir in der Vergangenheit leben sollen. Die Welt hat sich verändert, und wir müssen uns ebenfalls weiterentwickeln. Wir müssen neue Ideen und neue Ansätze annehmen. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass der Fortschritt nicht immer durch die Ablehnung des Alten erreicht wird, sondern oft durch die Verbindung von Altem und Neuem. Nur so können wir die Tiefe des Wissens bewahren und gleichzeitig die Weite der neuen Entdeckungen erfassen.“

Ein ruhiges Schweigen legt sich über den Raum. Die Studenten sehen Amanda an, einige mit nachdenklichen Blicken, andere mit einem Anflug von Respekt. Die Studentin, die die Frage gestellt hat, blickt zu Boden, ihre Stirn in Falten gelegt.

Amanda steht wieder auf, die Kreide in der Hand.

„Die wahre Aufgabe eines Denkers ist nicht die Zerstörung des Alten, sondern das Finden einer Brücke, die beide Welten miteinander verbindet. So wie die Geometrie die Grundlage der Architektur ist, so sind die alten Ideen die Grundlage für die Zukunft.“

Mit einem letzten Blick auf die Tafel und die wenigen verbliebenen Skizzen geht sie zurück zu ihrem Schreibtisch. Die Klasse ist still.
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Amanda Sonorati
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Re: Die Akademie

Beitrag von Amanda Sonorati »

Die Studenten verlassen den Raum, ihre Schritte hallen leise auf dem Steinboden des Korridors. Die rebellische Studentin wirft Amanda einen letzten, kritischen Blick zu, bevor sie sich aus der Tür schiebt. Amanda atmet tief durch, als die Tür ins Schloss fällt. Ein Gefühl der Erleichterung überkommt sie, doch der Blick der jungen Frau brennt noch in ihren Gedanken.

Seit einiger Zeit bemerkte Amanda, wie sich der Ton an der Akademie zunehmend verschärfte. Früher hätten die Studenten sich nie gewagt, sie direkt mit „Sie“ anzusprechen. In der alten Tradition Palatinas, in den Hallen der ehemaligen Universität, hatte das „Ihr“ oder „Euch“ noch einen tiefen symbolischen Wert gehabt. Es war ein Zeichen des Respekts und zugleich der Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Kreis, der sich gegen die immer lauter werdenden revolutionären Stimmen stellte. Wer das „Sie“ wählte, gab sich als Anhänger der neuen, aufklärerischen Zeit zu erkennen – als jemand, der entweder ein Freimaurer war oder sich der liberalen Bewegung zugehörig fühlte.

Doch in den letzten Monaten war es anders geworden. Es war nun in San Paolo ein Zeichen des guten Tons, jeden mit „Sie“ anzusprechen. Wer es nicht tat, galt als verdächtig, als jemand, der vielleicht nicht mit den Veränderungen einverstanden war. Amanda spürte die subtile Verschiebung der gesellschaftlichen Normen und fühlte sich zwischen den Welten hin- und hergerissen.

Sie wusste, dass ihre Verbindungen zum liberalen Milieu wichtig waren. Die Gespräche mit den Freimaurern, der Austausch mit den fortschrittlichen Denkern der Akademie. Doch gleichzeitig wollte sie ihre freimaurerische Identität nicht zu offen zeigen. Zu viel stand auf dem Spiel. Ihre Beziehungen zu den konservativen Kräften, zu den alten Freunden der Familie, könnten dadurch gefährdet werden. Manchmal war es ein schmaler Grat, den sie beschreiten musste, und heute hatte sie wieder einmal das Gefühl, am Rand eines Abgrunds zu balancieren.


Diese Revolution erweist uns noch einen Bärendienst, wenn sie die jungen Leute aufwiegelt ... es macht uns so angreifbar seufzt sie aus und packt ihre Papiere zusammen.
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Prisco Raimondi
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Re: Die Akademie

Beitrag von Prisco Raimondi »

Prisco Raimondi betritt mit zwei weiteren Carabinieri die Akademie, und die Atmosphäre im Raum verändert sich sofort. Der Klang ihrer Stiefel hallt auf den polierten Steinfliesen wider, und eine beunruhigende Stille breitet sich aus. Die Studenten, die noch vor einem Moment lebhaft diskutiert haben, halten inne. Ihre Gespräche ersticken, als hätte eine unsichtbare Hand den Raum ergriffen. In den Gesichtern der jungen Männer und Frauen zeigt sich eine Mischung aus Skepsis, Angst und Zwang, den Blick zu senken.

Prisco nimmt die Szenerie in einem einzigen, fast gelassenen Blick wahr. Der Raum ist voll, aber seine Präsenz lässt ihn wie einen Fremdkörper wirken. Es braucht keine Waffen, keine brüllende Macht, nur die Art, wie er sich bewegt. Seine Augen, dunkel und messerscharf, gleiten über die versammelten Gesichter. Die Unruhe, die er ausstrahlt, ist greifbar. Einige der Studenten, die sich der revolutionären Strömung nahe fühlen, verändern diskret ihre Haltung, senken die Köpfe, als könnten sie so der Aufmerksamkeit entkommen.

Ein Akademiker für Mechanik, ein Mann mittleren Alters mit wirrem Haar und einem etwas zerknitterten Anzug, hebt den Blick. Er räuspert sich, ehe er die Stille durchbricht.


„Was geht hier vor?“

Prisco schaut ihn an, ohne Eile. Der Mann weiß, was das bedeutet. Es ist keine Einladung zu einer Diskussion, sondern eine klare Aufforderung.

„Eine Visite“, antwortet Prisco knapp. „Es ist mir zu Ohren gekommen, dass subversiv-revolutionäre Elemente in letzter Zeit zugenommen haben. Ich werde hier eine Liste auffälliger Studenten und Akademiker einfordern. Wer sich als solche erweist, wird nicht unbeachtet bleiben.“

Seine Stimme trägt eine Schärfe, die ausreicht, um jede andere Frage im Keim zu ersticken. Prisco wartet einen Moment, um sicherzustellen, dass seine Worte den gewünschten Eindruck hinterlassen. Der Akademiker schweigt, und auch der Rest der Anwesenden hält den Atem an.
Vortrefflich, ganz vortrefflich, muss man sofort verbieten. - Klemens Wenzel Fürst von Metternich

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Amanda Sonorati
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Re: Die Akademie

Beitrag von Amanda Sonorati »

Amanda trägt eine Sammlung alter Bücher unter dem Arm, geht an einer Balustrade entlang. Doch dann merkt sie die Veränderung. Die Atmosphäre hat sich verändert. Die Geräusche, die das Gebäude gewöhnlich erfüllen, sind plötzlich gedämpft. Sie blickt über das Geländer hinunter in die Halle.

Prisco Raimondi steht in der Mitte der Halle, ruhig, aber auch unmissverständlich präsent. Es gibt keinen dramatischen Einschlag, keine Bewegung, die ihn sofort in den Mittelpunkt stellt. Aber jeder im Raum weiß, dass er da ist.

Amanda weiß, was er für ein Mensch ist. Schon vor Monaten, bei einem anderen Vorfall in der Stadt, war er die treibende Macht hinter einer der ersten „Visiten“ der Carabinieri. Sie erinnert sich, wie er damals in der Bibliothek der Akademie stand, ein hoher und ernster Schatten, der den Raum ausfüllte,. Die Atmosphäre war ebenso angespannt, und auch damals hatte sich der Raum in eine Art Gefängnis verwandelt, in dem nur der leiseste Fehler zu einem Verhängnis werden konnte.

Die Carabinieri hatten damals Bücher beschlagnahmt. Bücher, die hinter langweiligen wissenschaftlichen Abhandlungen versteckt waren. Politisch kompromittierende Bücher. Ein Student galt seitdem als vermisst. Man hatte ihn auf die Cittadella abgeführt.

Sie bleibt stehen, eine sichere Distanz einhaltend. Sie würde sich nicht einmischen. Es war eine Regel, die sie sich selbst auferlegt hatte – sich nicht in diese Art von Dingen zu verstricken. Der Mechaniker fragt, was vor sich geht, aber Amanda sieht, wie die Frage im Raum verschwindet, unbeantwortet. Denn niemand hier wagt es, Prisco direkt zu konfrontieren. Was bleibt, ist nur das Schweigen.
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Prisco Raimondi
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Re: Die Akademie

Beitrag von Prisco Raimondi »

Prisco lässt seinen Blick durch die Halle schweifen, während seine Schritte mit gleichmäßiger Präzision über den Marmorboden hallen. Die Stille um ihn herum ist greifbar, fast wie eine zusätzliche Schicht Luft, die schwerer wiegt als die gewöhnliche. Die Studenten stehen in Gruppen zusammen, doch keiner wagt es, ein Wort zu sprechen oder auch nur zu viel Bewegung zu zeigen. Der Akademiker für Mechanik wirkt klein und unsicher, verschmeirt das Öl zwischen seinen Händen vor Nervösität. Prisco betrachtet ihn kurz, lässt seinen Blick dann weitergleiten.

Sein Gesicht bleibt ausdruckslos, aber seine Augen – sie suchen. Kein Detail entgeht ihm. Kein zu lockerer Kragen, kein abgewetzter Saum, kein Staubkorn auf den Schultern der Studenten entzieht sich seiner musternden Aufmerksamkeit. Als könnten diese unscheinbaren Makel ein revolutionäres Geheimnis bergen, eine unbedachte Solidarität mit der Aufklärung, die ihre hässlichen Wurzeln in Palatina schlägt.

Er bleibt schließlich stehen, genau in der Mitte der Halle, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Der Raum scheint den Atem anzuhalten, als er zu sprechen beginnt. Seine Stimme ist ruhig, aber sie trägt das Gewicht eines Mannes, der daran gewöhnt ist, gehört zu werden.


„Ich werde den heutigen Betrieb genauer beobachten.“

Die Worte fallen mit messerscharfer Präzision, durchschneiden die Stille wie ein Skalpell.

„Mir wurde berichtet, dass sich in letzter Zeit mehrfach subversive Elemente unter die Akademiker und Studenten gemischt haben. Augenzeugen zufolge“, er lässt die Worte kurz hängen, damit sie sich festsetzen, „haben einige der Anwesenden sich für die Revolution ausgesprochen, pro-französische Parolen skandiert oder –“ seine Stimme wird einen Hauch kälter – „sogar das Sie statt des Ihr verwendet.“

Ein Raunen geht durch die Menge, kaum mehr als ein Zittern in der Luft. Niemand wagt es, den Blick zu heben. Prisco fährt fort, jetzt mit einer Schärfe, die keinen Widerspruch duldet.

„Solche Umtriebe werden nicht länger geduldet. Wenn keiner bereit ist, Namen zu nennen, werde ich mich gezwungen sehen, einen der Professoren vorzuladen. Ein beliebiger Professor. Die Verfahren der Staatsgewalt sind absolut ordentlich und gerecht.“ Seine Betonung auf „ordentlich“ ist fast ein Zischen, das die Studenten in ihrem Innersten trifft.

Er macht eine Pause, damit die Worte ihre Wirkung entfalten können, lässt die Spannung in der Luft wachsen wie die Saiten einer Laute, die kurz davor sind zu reißen. Dann lehnt er sich minimal nach vorne, sein Blick gleitet durch die Reihen.

„Es wäre besser für alle Beteiligten, wenn die Betroffenen sich selbst stellen. Die Wahrheit wird so oder so ans Licht kommen. Aber wenn ein anderer dafür büßen muss – dann liegt das allein an Euch.“

Die Halle bleibt still, doch Prisco weiß, dass er die Furcht gesät hat. Es ist eine Frage der Zeit, bis einer nachgibt. Und wenn nicht – er ist vorbereitet. Sein Ziel ist nicht das Chaos, sondern die Kontrolle. Und Kontrolle, das weiß Prisco Raimondi, beginnt immer mit dem Schweigen der anderen.
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Amanda Sonorati
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Re: Die Akademie

Beitrag von Amanda Sonorati »

Amanda bleibt an der Balustrade stehen, die Bücher fest an die Brust gedrückt, als könnten sie sie vor den Geschehnissen unter ihr schützen. Von hier oben hat sie einen klaren Blick auf die Szene in der Halle, auf die starren Gesichter der Studenten und den Akademiker für Mechanik, der bemüht ist, Haltung zu bewahren – doch seine Schultern verraten ihn.

Und inmitten all dessen steht Prisco Raimondi, wie eine Statue aus kaltem Marmor, unerschütterlich, unnachgiebig. Seine Worte dringen klar und schneidend bis zu ihr empor, und sie kann die Spannung spüren, die sich in der Luft aufstaut, als wäre sie selbst Teil der schweigenden Menge.

Jede Faser ihres Wesens sagt ihr, sie solle sich nicht einmischen. Sie kennt Prisco. Sie kennt seine Art, Situationen zu kontrollieren, seine Beharrlichkeit, die Wahrheit aus Menschen herauszupressen, wie man den letzten Tropfen aus einer überreifen Frucht quetscht.

Ihre Finger krallen sich in die Bücher, und sie beißt sich auf die Lippe. Was könnte sie überhaupt sagen, das ihn aufhält? Was könnte sie tun, das ihn überzeugt, einen Schritt zurückzutreten? Nichts, flüstert ein Teil von ihr. Aber ein anderer Teil, der beharrlichere, erinnert sie daran, dass sie nicht wegsehen kann. Nicht jetzt.

Langsam wendet sie sich um, die Treppe im Blick. Ihre Schritte sind gezielt, doch sie spürt das Gewicht jedes einzelnen. Mit jedem Schritt nach unten fühlt sich die Luft dichter an, als ob sie gegen eine unsichtbare Wand ankämpfen müsste. Die Stimmen in ihrem Kopf streiten noch immer, doch sie schiebt sie beiseite. Was auch immer sie sagen wird – es muss das Richtige sein. Oder zumindest genug, um Zeit zu gewinnen.


Ser Prisco. Ich freue mich, Euch zu sehen. Verzeiht den fehlenden Empfang, ich übernehme ab hier.

Amanda lächelt gewinnend. Das waren deutlich bessere Worte, als sie selbst erwartet hatte.
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Prisco Raimondi
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Re: Die Akademie

Beitrag von Prisco Raimondi »

Prisco bemerkt Amanda, noch bevor sie ihn anspricht. Ihre Schritte auf der Treppe ziehen die Aufmerksamkeit der Anwesenden an. Er beobachtet sie aus den Augenwinkeln, den Kopf nur leicht in ihre Richtung gedreht. Die Bücher, die sie trägt, ihre ruhige Haltung – sie zeigt keinen Anflug von Nervosität, und das allein macht sie in seinen Augen gefährlich.

Als sie näherkommt, richtet er sich voll auf, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Sein Gesicht bleibt reglos, doch seine Augen mustern sie genau. Amanda Sonorati. Die kluge Dozentin, das Aushängeschild der Akademie, eine Frau mit Verbindungen, die tiefer reichen könnten, als sie vorgibt. Eine Freigeistin, die zu oft den Wert von Offenheit und Neuerung predigt. In anderen Zeiten wäre sie eine Verbündete gewesen.

Heute? Heute ist sie eine potenzielle Gegnerin, eine mögliche Jakobinerin, vielleicht sogar ein Sprachrohr für diese subversiven Kräfte, die er zu bekämpfen geschworen hat. Aber er hat nichts Konkretes gegen sie in der Hand, und das ärgert ihn. Er spricht es nicht aus – ein Mann wie er weiß, wann Schweigen mächtiger ist.


„Professoressa,“ beginnt er, sobald sie nah genug ist, und neigt höflich den Kopf, ohne die Strenge aus seiner Haltung zu nehmen. Seine Stimme ist ruhig, professionell, doch in den Zwischentönen liegt eine unüberhörbare Wachsamkeit. „Wie erfreulich, Euch zu sehen. Ich nehme an, Ihr habt die Situation verfolgt.“

Ein sachlicher Ton, distanziert, und doch so gewählt, dass ihre Antwort sofort Gewicht trägt. Er lässt eine kurze Pause, nicht länger als ein Herzschlag.

„Wir untersuchen Hinweise auf subversive Aktivitäten an der Akademie. Mir ist zu Ohren gekommen, dass sich einige hier möglicherweise von revolutionärem Gedankengut haben verführen lassen. Ihr seid ja stets um das Wohl der Institution bemüht. Vielleicht ist Euch etwas aufgefallen, das diese Bedenken untermauern könnte?“

Sein Blick bleibt auf ihr, aufmerksam, aber nicht drohend. Auch wenn er keine Antwort erwartet, die ihn zufriedenstellt – allein ihre Reaktion, ihre Worte, werden ihm mehr sagen, als sie denkt.
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Amanda Sonorati
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Re: Die Akademie

Beitrag von Amanda Sonorati »

Amanda atmet einmal tief ein, während sie den Blick Priscos hält. Die höfliche Strenge in seinen Augen ist unmissverständlich, und doch verbirgt sie etwas – ein kalkuliertes Abwarten, ein Versuch, durch die Wahl seiner Worte mehr von ihr zu erfahren, als sie bereit ist zu geben. Sie kennt dieses Spiel. Sie hat es oft genug gespielt.

Die Erinnerung an die Studentin kommt ihr wieder in den Sinn. Amanda hatte Vorfälle wie diese hingenommen, wie man einen Regenschauer hinnimmt: unaufhaltsam, alltäglich. Die Verwirrung, die solche liberalen Ausrutscher einst hervorgerufen hatten, ist längst Routine geworden. Die französischen Ideen haben ihren Platz in den Köpfen gefunden, und der Gedanke an eine andere Form von Ordnung ist längst keine Revolution mehr, sondern ein Gewohnheitsrecht. Aber Prisco? Prisco sieht in jedem „Sie“ einen Paukenschlag, einen Beweis für das, was er ohnehin vermutet.

Amanda lässt sich nichts anmerken. Ihre Gedanken laufen, suchen eine Lösung, einen Weg, diese aufgeheizte Situation zu entschärfen, bevor Prisco etwas findet, was er nicht finden soll. Sie denkt an die Studenten – ihre Blicke, ihre Haltung, das Zucken in ihren Schultern. Es ist keine Frage, dass es hier Dinge gibt, die verschwinden müssen. Und wenn Prisco einen Moment länger an Ort und Stelle bleibt, wird es dazu zu spät sein.


„Ich verstehe Eure Sorge, Ser Raimondi,“ sagt sie schließlich, die Stimme klar, aber freundlich. Ihr Ton hat nichts von einer Unterwürfigkeit, und doch klingt darin das Angebot einer Zusammenarbeit mit. „Es gibt natürlich viele Stimmen hier an der Akademie. Unterschiedliche Hintergründe, unterschiedliche Temperamente. Aber vielleicht hilft es, wenn ich Euch begleite. Ein persönlicher Rundgang durch unsere Räume könnte ein klares Bild verschaffen.“

Die Worte sind eine sanfte Lenkung, die Augen fixieren ihn fest, als sei sie bereit, diese Verantwortung ganz in ihre Hand zu nehmen. In Wirklichkeit ist es ein Angebot an die Studenten – an jeden, der zuzuhören versteht. Bereitet euch vor. Versteckt, was verborgen bleiben muss. Ihr habt nicht viel Zeit.
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Prisco Raimondi
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Re: Die Akademie

Beitrag von Prisco Raimondi »

Prisco nickt knapp. Amandas Angebot nimmt er ohne sichtbares Zögern an – ihr Ton, so überlegt gewählt, lässt ihm keinen Grund zur Ablehnung.

„Eure Bereitschaft zur Zusammenarbeit ehrt Euch, Signora Sonorati,“ sagt er mit einem Hauch von formeller Freundlichkeit. „Ein persönlicher Rundgang wird sicherlich nützlich sein.“

Doch während er spricht, gleiten seine Augen kurz an ihr vorbei, fixieren die beiden Carabinieri, die still im Hintergrund stehen. Er zögert keine Sekunde, hebt die Hand zu einem raschen, bestimmten Befehl.

„Sergente Valli, Corporale Brunetti. Inspiziert das Gebäude. Unabhängig voneinander. Jedes Stockwerk, jede Tür. Ich erwarte einen Bericht über alle Auffälligkeiten.“

Die beiden nicken synchron, salutieren kurz und entfernen sich dann mit dem gleichen zackigen Schritt, mit dem sie gekommen sind. Der Hall ihrer Stiefel auf den Steinplatten ist das einzige Geräusch in der großen Halle.

Prisco kehrt den Blick zurück zu Amanda. Sein Gesicht bleibt unbewegt, seine Stimme erneut ruhig und beinahe höflich.


„Wir dürfen schließlich ... nichts dem Zufall überlassen.“
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