Die Straßen der Città Nuova

Die Insel in der Mitte Palatinas ist die Heimat des vermögenden Bürgertums und niederen Nobili. Geographisch immer noch der Kern Palatinas, hat die Neustadt ihre Bedeutung als Stadtzentrum verloren. Anders als die übrigen Viertel ist es keiner Ideologie zuzuordnen und gilt noch am ehesten als Refugium des normalen Stadtlebens.
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Die Signoria
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Die Straßen der Città Nuova

Beitrag von Die Signoria »

Die Straßen der Città Nuova

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Arkaden säumen die wichtigsten Straßen, welche die Insel wie Arterien durchziehen und auf den Markt zustreben. Die drei Hauptachsen sind: die Via San Pietro, die Richtung Zinnbrücke und San Pietro strebt; die Via San Paolo, die Richtung Kupferbrücke und San Paolo verläuft; und die Via Antica, die an der Messingbrücke mündet und dann in die Altstadt geht. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gibt es außerdem eine neue Prachtstraße: die Via d’oro, die in Richtung Westen verläuft. Sie umgibt ein neues Stadtviertel in spätbarocker Architektur, das sich vom spätmittelalterlichen Flair der restlichen Città Nuova erheblich unterscheidet.

Besonders auf der Via San Pietro und der Via San Paolo ist zu den Morgen- und Abendzeiten viel los. Karren, die zwischen dem Markt und den Viertel fahren, sind dann deutlich häufiger unterwegs. Nebenstraßen laden dann zu Umwegen ein, vorbei an den Fassaden gotischer Stadthäuser, die längst vergessen sind, und in denen manch ein Handwerker ein Musikinstrument schnitzt, Fassbinder ihre Kunden aus den Weinläden versorgen oder Schuster Leder klopfen. Insbesondere in Marktnähe häufen sich dagegen große Stadthäuser patrizischer Geschlechter, Bankgebäude und Kaufmannshäuser im Renaissancestil.
Wissen Sie, warum die europäische Gesellschaft stirbt? Sie stirbt, weil sie vergiftet worden ist. Sie stirbt, weil Gott sie geschaffen hatte um mit der katholischen Substanz ernährt zu werden und weil Kurpfuscher ihr die rationalistische Substanz als Nahrung verabreicht haben. Die einzelnen Menschen können sich noch retten, weil sie sich immer retten können. Aber die Gesellschaft ist verloren, nicht deshalb, weil ihre Rettung eine radikale Möglichkeit an sich darstellt, sondern weil die Gesellschaft meiner Überzeugung nach ganz offenbar nicht gerettet werden will. - Juan Donoso Cortés

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Leonora Albizzi
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Re: Die Straßen der Città Nuova

Beitrag von Leonora Albizzi »

Und du bist sicher, dass dein Bruder nicht in der Stadt unterwegs ist?

fragt Domenico sie unvermittelt.

Leonora hingegen lacht erheitert.

Jaaahaa...

sagt sie gedehnt und rollt dann demonstrativ die Augen. Da ist es wieder! Genau was sie gerade noch gedacht hatte. Selbst Domenico nimmt sie nicht vollkommen ernst, denkt ständig irgendwer könnte über sie bestimmen und Ärger machen. Das wird sie ihm schon noch austreiben!

Sie grinst ihn an.

Giuseppe geht NIE aus.

Es könnte ihm ja jemand eine Schaufel Mehl klauen, während er weg ist.

lästert sie weiter.

Du machst dir zu viele Gedanken! :)

Zu ihrer großen Unzufriedenheit spürt sie wie Domenicos Hand trotz ihrer beschwichtigenden Worte von ihrer Schulter gleitet und er nun nurmehr neben ihr her geht. Er wirkt immer noch angespannt, richtet den Blick mal nach vorne, mal in eine der Gassen und schaut sie selbst beim Reden kaum an.

Ich will einfach keinen unnötigen Ärger.

Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, aber wenn es unnötig ist, sollte man dem aus dem Weg gehen. Ein Problem führt meistens zum nächsten.

Sein Blick fällt nun doch kritisch auf sie.

Ich schicke dir wieder Carlo vorbei, der sagt dir wann und wo wir weiter machen.

Leonora seufzt

In Ordnung...

So ganz kann sie diese Heimlichteuerei nicht nachvollziehen. Was macht es für einen Unterschied, ob sie nun mit Carlo oder Domenico über Termine spricht, oder wer von den beiden "wegen der Akademie" eine Nachricht für sie hat?
Auf der anderen Seite nimmt Domenico die Sache wenigstens wirklich ernst und macht sich offenbar auch Sorgen um sie. Irgendwie ja auch ganz süß.


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Enrico Albizzi
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Re: Die Straßen der Città Nuova

Beitrag von Enrico Albizzi »

Über die Straßen rattert ein Holzkarren, der offenbar etwas Großes geladen hat, das unter grau-grünen Planen gut verborgen ist. Auf ihm sitzen drei Artilleristen, die sich auf dem schmalen Kutschbock drängen.

Einer der drei blickt schon länger immer wieder verstohlen von rechts nach links, schaut den Passanten auf der Straße hinterher, scheint nach etwas Ausschau zu halten. Schließlich fasst er sich ein Herz und wendet sich an den Wagenführer.

Benito?

Ich hab' dir doch von Andrea erzählt.
Sie wohnt hier ganz in der Nähe...

Meinst du nich', ihr könntet das Paket zu dritt abladen?
Ich könnt' euch nachher an der Brücke wieder treff'n...


>>
Suicidal, violent, tragic state of mind; lost my halo, now I'm my own Antichrist! I'm running out of Teardrops, let it hurt 'til it stops, I can't keep my grip, I'm slip pi ng a w ay f r o m m e. Oh God! Everything is SO FUCKED! but I can't feel a thing... - BMTH: Teardrops

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Giuseppe Albizzi
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Re: Die Straßen der Città Nuova

Beitrag von Giuseppe Albizzi »

Unter den Arkaden der Neustadt überholt Giuseppe manchen Karren, der auf der Straße nach San Pietro fährt. Mit einem Gehstock, der bereits seinem Urgroßvater gehört hat, kommt er gut voran.

Es ist ein schlichtes, kaum verziertes Stück. Sein Vater hatte ihn bereits darauf hingewiesen, dass er sich doch einen neuen leisten sollte; aber Giuseppe fand, dass gerade die schmucklose und ehrliche Art des Holzes seinen Charakter unterstrich. Geschmack - so war er überzeugt - hatte nichts mit Geld zu tun. Er beließ es bei einer nützlichen, aber wehrhaften Weste, die er seit Jahren trug. Er wechselte die Knöpfe, wie er auch lieber das Schuhwerk flickte, statt es auszutauschen.

Das war kein Geiz, auch keine übertriebene Kosten-Nutzen-Bilanz. Das war gesunder Menschenverstand. Ein Bäcker lernte aus allen möglichen Zutaten, die nur noch Reste waren, dennoch etwas zu kreieren, etwas zu schaffen. Man rührte keinen schlechten Teig an oder verwendete abgestandene Milch. Sondern man konzentrierte sich darauf, aus dem Gegebenen etwas zu machen. Die Albizzi waren nicht zu Patriziern aufgestiegen, weil sie sich teure Mode leisteten oder ihr Geld für Schmuck verjubelten.* Sein Großvater hatte das Unternehmen und die Dynastie erst zu diesem Zenit geführt, weil er eiserne Disziplin walten ließ.

Es war eine zweischneidige Einstellung. Einerseits kam man nicht um ihn herum, weder in der Zunft, noch im Club. Albizzi war ein Name, der eine Zukunft hatte. Die Zahlen sprachen für sich. Die baldige Vermählung seiner Schwester mit einem Nobile war ein deutliches Zeichen. Es war der Lohn sauer abgerungene Lire, die aus Bekenntnissen zum bodenständigen Leben resultierten. Andererseits wusste er, dass man hinter seinem Rücken spottete. Eine Krämerseele, die nie wirklich in das Patriziat gefunden hatte. Das hatte er sich sagen lassen, von jemanden, der bei einem Gespräch von Clubmitgliedern dabei gewesen war.

Jeder Besuch im "Myra" war daher ein ambivalentes Gefühl. Er gab alles dafür "dazuzugehören". Aber Giuseppe war, wer er war.


Eine Spende für die Armen, eine Spende für die Armen!

Zwischen den Säulen läutet eine Glocke. Eine Klarisse streckt einen kleinen Korb aus, sammelt Geld. Sie hält den Korb direkt unter Giuseppes Nase.
Der Albizzi sieht pikiert drein. Zuerst schaut er zum Korb - dann zur Klarisse.


So arm seht Ihr doch gar nicht aus.

Ja, Giuseppe war eben der, der er war, und mit Sicherheit ein vorbildliches Familienoberhaupt, das Geld und Ruhm der Albizzi zusammenhielt. Alles andere waren bösartige Verleumdungen.

Im Myra-Club

___________________
*Irgendwo im 16. Jahrhudnert sollte jetzt eine Vorfahrin ziemlich laut aufschreien.
Wenn Untertanen Rebellen aus Grundsätzen sein wollen, so werden Herrscher aus Staatsklugheit Tyrannen sein. - Edmund Burke

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