
Das Castello ist der zentrale Bau der Festungsanlage. Von seiner militärischen Funktion ist allerdings nur noch wenig übrig. Unter dem Dogen Scipione Buonavista mit den damals modernsten Mitteln erbaut, ist das Castello heute – so, wie die gesamte Festung – aus militärischer Sicht komplett veraltet. Stattdessen hat sich das Castello in den letzten beiden Jahrhunderten immer mehr zum eigentlichen Sitz des Dogen von Palatina entwickelt. Bereits Tiberio Livio di Testabella e Braccioleone, der zweite Herr der Festung, verbrachte den Großteil seiner Amtszeit nicht mehr im Dogenpalast. Seine Nachfolger richteten den vormals rein funktionellen Bau nach ihren Wünschen ein. Der eine ließ einen Turm anbauen, der andere einen alten erhöhen. Wieder ein anderer erweiterte das Hauptgebäude um einen Nebenbau, sein Nachfolger wollte eine Galerie, der nächste ein opulentes Badezimmer. Um 1700 war es bereits Brauch, dass der Doge nur noch zu wichtigen Besprechungen der Signoria oder der Räte in den Dogenpalast kam, der in dieser Periode auch seinen alten Namen verlor. Die Sphäre der Exekutive war von da an das Castello, die Sphäre der Legislative der Palazzo della Serenissima.
Ab 1733, als die Dogen de facto entmachtet wurden, entwickelte sich das Castello umso mehr zur extravaganten Spielwiese alter Männer, denen langweilig war. Der Doge Tullio Sabbionetto entwickelte den Plan einer gewaltigen Treppe, für die er extra ein Treppenhaus bauen ließ, allerdings kein passendes Stockwerk für dessen Zugang hatte. Einer seiner Nachfolger, Giulio Poggetino, verlangte eine Pferderennbahn – in der dritten Etage. Selbst Capricorno XIV., der Dogenbock von Palatina, hatte es in seiner dreizehntägigen Amtszeit nicht verabsäumt, zumindest den Befehl zum Bau eines neuen Apartments zu geben, das in seiner extravaganten Kombination von nackten Stuckziegen mit vornehmlich überdimensionalen Eutern und einem simplen Heubett für Kritik vonseiten des Dogenberaters der Finanzen gesorgt hatte; besagter Dogenberater wurde nur wenig später auf die Hörner genommen und aus dem Fenster gestoßen.
Trotz dieser wenig erfreulichen Anekdoten sich andeutenden dekadenten Wahns ist das Castello eines der prachtvollsten Gebäude der Republik, das einem Herrscher des auslaufenden Rokokos zur Ehre gereicht. Die Hängenden Gärten des Ambrogio di Borghetto sind in der ganzen Toskana berühmt, und die privaten Räumlichkeiten entbehren keines noch so luxuriösen Wunsches. Einige behaupten, dass sich mit dem verbauten Blattgold alle Schulden der Republik bezahlen ließen. Die langen Gänge sind gefüllt mit Gemälden von Dogen und ihren Beratern, berühmten historischen Episoden und exquisiten Statuen und Kunstwerken aus Metall aus den letzten 350 Jahren palatinischer Geschichte. Tatsächlich hatten sich einige Patrizierdogen nur dazu überreden lassen, die Marionette des Parlaments zu spielen, weil sie Aussicht darauf hatten, in diesem Dogenpalais ihren Lebensabend verbringen zu dürfen.