Das Castello

Auf der Spitze des Palatin liegt die Festung San Vittorio, um die sich mittlerweile ein kleines Dorf gebildet hat. Aus dem Zentralbau der Festung, dem Castello, ist in den Jahrhunderten der Sitz des Dogen entstanden, der diesen kleinen Stadtteil Palatinas direkt regiert.
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Marco Foscari
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Re: Das Castello

Beitrag von Marco Foscari »

Altissima Eccellenza, ich halte es für die womöglich günstige Entscheidung in schwierigem Feld. Auch wenn ich kein Freund italienisch-nationaler Umtriebe bin, so dürfte auch in Zukunft Palatina nur eine Rolle spielen, wenn auch Italien eine Rolle spielt.

Die vertrackte italienische Politik zwischen den Staaten war ein Thema für sich. Doch fern waren die Zeiten, da sich die Einzelheiten gegenseitig so sehr misstraut hatten, dass man Deutsche, Spanier und Franzosen auf die Halbinsel gerufen hatte, bevor man sich mit dem Nachbarn vertrug. Die größten Teile Italiens waren heute fremdbeherrscht. Sardinien und Venedig hatten als größte Territorialstaaten ein Interesse daran, die Bourbonen im Süden und die Habsburger im Norden in Balance zu halten. Die kleinen italienischen Nachbarstaaten galten da eher als Hilfe denn als Behinderung. Zumindest mit Turin konnte man vielleicht in Zukunft besser eine gemeinsame Lösung finden, wenn es um gesamtitalienische Strategien ging.

Sobald man dieses französische Problem überstanden hatte, natürlich.


Ich schätze, nicht nur die Minister werden über diese Effizienz überrascht sein, mit der Ihr Euer Amt angeht. Vargazza hat gute Vorarbeit geleistet, aber viele werden denken, sie könnten sich jetzt wieder auf ihre faule Haut legen. Man sollte seine Minister alle paar Tage durch die Korridore scheuchen, das hält sie auf Trab.

Es gab natürlich noch eine ganze Menge anderer Anliegen, die der Foscari mit San Trovaso zu klären hatte. Doch ein Schritt nach dem nächsten. Er hatte sich vorgenommen, Michele nicht mit den Erlassen zu überfordern. Jeden Tag nur ein Projekt. Seine Exzellenz würde noch irgendwann in den Rhythmus kommen. Bis dahin wollte er ihn nicht überlasten.

Er deutet eine kurze Verneigung an.


Gehe ich Recht in der Annahme, dass Ihr meine Dienste nicht mehr weiter benötigt, Vostra Eccellenza?
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Michele di San Trovaso
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Re: Das Castello

Beitrag von Michele di San Trovaso »

"Ich sehe es genauso. Es ist die sinnvollste Lösung, mit der wir die meisten Palatiner abholen können. Auch das Parlamento dürfte da kaum was zu klagen haben - außerdem ... haben wir noch genug Freunde dort."

Ließ Michele den Gedanken immer noch unvollendet, deutete aber an, dass noch genug Parlamentarier bestochen und geschmiert waren, als dass es bei den bisherigen Themen zu großen Verwürfnissen kommen würde. Dass di Vittoriani jeden Tag ungedudliger wurden und der Doge auch mehr Aufmerksamkeit darauf verwenden musste, das Esercito zufriedenzustellen und gleichzeitig eine starke Position zu behalten, war ein ungünstiger Faktor, der sicher noch zu einem größeren Problem werden konnte. Doch Je eher er Reformen durchbrachte, bevor es zu größeren Unstimmigkeiten in der ersten Kammer kam - desto besser.

"Derzeit nicht mehr, mein bester Consigliere. Ich werde auch Euch nicht weiter von Euren Pflichten abhalten. Zudem denke ich, dass eine gewisse Signorina Albizzi sicher auch nicht viel davon hält, wenn Ihr dauernd so okkupiert seid." Sprach der Doge den letzten Satz mit einem Zwinkern, nickte dem Foscari dann zu. Die Besprechung war nun beendet - noch einiges an Korrespondenz, die Michele vor dem Treffen mit dem britischen Botschafter zu erledigen hatte, lag auf seinem Schreibtisch. Der San Trovaso setzte sich derweil wieder, nahm ein Schreiben zur Hand, las den Bericht und zeichnete ihn dann ab.
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Marco Foscari
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Re: Das Castello

Beitrag von Marco Foscari »

Bei der Erwähnung Salomès wirkt der Foscari zuerst unangenehm touchiert, dann abrupt außergewöhnlich ernst.

Seine Exzellenz wissen, dass die Angelegenheiten Signorina Albizzi betreffend höchst privater Natur sind und aufgrund delikater Problematiken Eures Schweigen bedürfen.

ruft der Foscari Michele in Erinnerung. Er kannte Salomè von den diversen Abenden und Besprechungen der Ritter, dzaumal, als sie jung und die Politik noch ein Traum gewesen war. Salomè hatte gespielt, häufig am Piano gesessen, auch im Palazzo di San Trovaso. Er hatte Michele die Beziehung noch verheimlicht - so wie allen anderen - als er Diplomat in Paris war. Es gab immer noch genügend Personen, die diese Ehe nicht als standesgemäß erachteten. Erst der Tod seines Vaters - wenn es auch ein hoher Preis gewesen war - hatte ihm die Möglichkeit eröffnet, als eigener Herr eigene Entscheidungen zu treffen. Er konnte sich mit der guten finanziellen Situation der Albizzi herausreden, das änderte jedoch nichts daran, dass eine Cittadina mit einem Bruder im Patrizierstand von vielen als zweite Wahl belächelt würde. Insbesondere die eigene Verwandtschaft sollte erst davon erfahren, wenn Fakten geschaffen wurden.

Ich danke dafür, Euer Ratgeber gewesen sein zu dürfen, Eccellenza. Wir sehen uns morgen zur gewohnten Zeit. Sempre al vostro Servizio.

Der Foscari verneigt sich, geht dann einen Schritt zurück. Danach verlässt er die Terrasse, geht zurück ins Innere des Castello.

Foscari kommt seinen Pflichten als Dogenberater des Sicherheitsdienstes nach
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Michele di San Trovaso
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Re: Das Castello

Beitrag von Michele di San Trovaso »

Michele nickte, hebte die Hand zum Abschied, als der Consigliere die Terrasse verließ.

Marco war ein durch und durch gewitzter Mann, gerissen, schlau. Und doch in mancherlei Hinsicht sehr berechenbar. Er brannte für seine Prinzipen und die Republik. Und für die Albizzi. Der Doge hatte es früher nicht gewusst, nur hin und wieder Vermutungen angestellt, als er die beiden beobachtet hatte, während der vielen Treffen der Ritter von San Leone. Es waren kleine Gesten gewesen, die ihn aufmerksam gemacht hatten - ein Handkuss, der einen Augenblick zu lange dauerte. Ein Lachen der Albizzi, das eine Spur zu ehrlich war. Solcherlei. Deshalb war es keine große Überraschung gewesen, als der Dogenberater ihn über die Verlobung in Kenntnis gesetzt hatte, während die eigene Familie noch nichts davon wusste. Ein Nobiluomo, der nicht nur in Palatina sondern auch in Venedig einem edlen Geschlecht entstammte - mit einer Cittadina, deren Familie ihre Spuren bis ins mittelalterliche Florenz rückverfolgen konnten, ganz zu schweigen von den vielen stolzen Albizzi, die die Stadt Palatina hervorgebracht hatte.
Der Doge schmunzelte. Eine wahrlich sonderliche Mischung, die sicher noch die ein oder andere Überraschung bereithalten sollte.

Michele arbeitete etwa eine halbe Stunde - Dante stand wieder neben ihm, sortierte die Briefe und Dokumente, überreichte ihm soeben eingetroffene Neuigkeiten, als ein Bediensteter des Castello auf die Terrasse trat, sich dem Sekretär näherte und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Michele rollte die Augen - nie würde es jemand aus der Belegschaft wagen, ihm persönlich etwas mitzuteilen - das ging nur über seinen Sekretär. Dante verzog das Gesicht, rümpfte die Nase und wedelte mit der Hand, als er dem Boten etwas zuraunte. Die Sache schien sich erledigt zu haben - bis der Doge selbst den Blick auf seinen Sekretär richtete.


"Dante, was war das?"

"Vostra Eccellenza, mir wurde eben berichtet, dass ein junger Herr auf dem Castello erschienen sei, der angeblich eine Nachricht für Euch habe - aber nur mit Euch persönlich sprechen wolle. Ich habe ihn fortschicken lassen, verzeiht die Störung, Exzellenz."

"Dante ... schickt den jungen Herr doch zu mir in den Sala dell'Orologio. Ich hatte Besuch erwartet heute."

"Sì, Eccelenza!"

Die Verwirrung war dem Sekretär anzusehen, als er den Boten noch einmal zu sich herrief und ihm etwas zuflüsterte. Michele derweil erhob sich vom Schreibtisch, schritt von der Terrasse. Der Tag wurde kein bisschen langsamer, auch nach der Unterredung mit Marco nicht.
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Duccio da Costa
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Re: Das Castello

Beitrag von Duccio da Costa »

Verdammte Wachen. Lachten ihn aus und ließen ihn an der Pforte stehen. Und insgesamt - verdammter Tag. Verdammte Woche. Dass er jetzt eigentlich bei Nonna hätte sein sollen und sie zum Arzt begleiten ... wieso fiel das denn auch alles zusammen. Doch er konnte auch nicht wegbleiben, schließlich musste er mit dem Dogen sprechen ... ob er wollte oder nicht.

Ich ... ich muss rein!

Du kommst hier nicht rein, Kleiner. Mach, dass du wegkommst.

Nein, der Doge ...

Plötzlich spürte er eine Pike, die zwar nicht gefährlich, doch unsanft gegen seinen Brustkorb drückte.

Das heißt seine Exzellenz, der Doge der allerdurchlauchtesten Republik von Sankt Leo für dich. Und du kommst dem Dogen so oder so nicht nah, haben wir uns verstanden? Raunte der Wächter mit einer deutlich finstereren Miene und einem Unterton, der Duccio zu verstehen gab, dass er dessen Geduld inzwischen überstrapaziert hatte. Mit hängenden Schultern wandte sich Duccio ab, ging weiter. Irgendwie musste er ins Castello kommen ... doch wie?

Duccio war jung. Wie alt genau? Das wusste er nicht. Sein Bruder meinte, er müsste inzwischen wohl 17 sein. Nonna meinte, dass die Lachsschaumkuh bei ihr einziehen wollte. Auf Nonna konnte man in solchen Momenten nicht wirklich hören. Seine strohblonden Haare fielen ihm ins etwas zu schmale Gesicht, seine Kleidung hing ihm wie ein gutgemeintes, doch schlecht passendes Erbstück an den knochigen Schultern. Er hatte doch besseres zu tun als ... als ... als dem Dogen Bericht zu erstatten. Er wünschte, das wäre wahr. Doch außer Nonna ... gab es nicht viel, wohin er gerade zurückzukehren hatte. Eigentlich sogar nichts.

Wenn er ... wenn er sich neben den Stalljungen unbemerkt in die Quartiere unten schleichen konnte, dann musste es doch sicher auch einen Weg ins Castello hinein geben.


Hey! Hey Junge!

Duccio drehte sich erschrocken um - man konnte doch unmöglich seine Gedanken gehört haben? Der Gardist kam auf ihn zugelaufen, halb kauerte Duccio sich bereits zur Seite, um nicht von einem Faustschlag getroffen zu werden.

Seine Exzellenz, der Doge möchte dich anscheinend sehen. Komm mit.

Die Überraschung stand nicht nur dem Wächter, sondern auch Duccio ins Gesicht geschrieben.
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Michele di San Trovaso
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Re: Das Castello

Beitrag von Michele di San Trovaso »

Der Sala dell'Orologio. Eine Kakophonie aus Ticken und Surren, mechanischem Klicken, Schwirren und leisen Glöckchen erklang in dem langgezogenen Saal. Von Vorhängen gedämmtes Licht drang durch die hohen Fenster, hinter denen sich das Panorama der Stadt Palatina ausbreitete. Feiner Staub war in der Luft, in den Lichtstreifen zu sehen, die zwischen den nicht ganz zugezogenen Vorhängen in den Saal drangen.

Der Saal war über die Jahrhunderte gewachsen. Sein Interieur - die wohlmöglich größte Sammlung von Uhren der Republik, waren nicht nur namensgebend, sondern die essenzielle Atmosphäre des Raums. Exponate aus aller Welt waren zu sehen. Doch im Zentrum stand eine mächtige, meisterlich gearbeitete Uhr - die letzte Uhr des ersten Uhrmachers der Stadt. Lucius Horologius' Vermächtnis, so die Legende. Das Perlmuttziffernblatt mit römischen Ziffern reflektierte die sanften Lichtstrahlen des Saals. Meisterlich gearbeitete, goldene Zeiger bewegten sich mit allerhöchster Präzision. Eingerahmt von Kirschholz aus dem Früchtehain südlich der Stadt stand die Uhr auf einem Podest aus Marmor, das der Künstler John Goldentree damals noch für ein anderes seiner skurrilen Kunstwerke gefertigt hatte. Doch Palatina vermählte Sachen, die scheinbar nicht zusammengehörten und über die Jahrhunderte wuchs allerhand zusammen, eine Symbiose aus schiefen Tönen, die dann zusammen die sonder- und wunderbarste Sinfonie ergaben. Der Raum atmete Geschichte. Er zählte die Zeit - nach palatinischen Maßstäben.


"Ah, da seid ihr ja."

Der Doge hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt, tauchte aus dem Schatten neben einem Vorhang auf. Er musste wohl aus dem Fenster geschaut und die Stadtkulisse betrachtet haben, jedoch versteckt im Licht-und-Schattenspiel des Saals. Er ging einige Schritte zum Neuankömmling, der einige Momente vorher zögerlich den Saal betreten hatte und nun vor der Uhr des Horologius stand, sie eingehend betrachtete.

"Man sagt, es sei Horologius' letztes Werk gewesen. Ein seltsamer Zeitgenosse, sagt die Stadtchronik. Ein Genie, ohne Zweifel, wenn man sich seine Uhren anschaut, die die Zeit überlebt haben. Seine Söhne und Nachkommen haben kaum noch solche Meisterstücke gefertigt, zumal sie auch nicht mehr die einzigen Uhrmacher der Stadt waren."

Der Doge hielt inne, strich mit der Hand über das Kirschholz.

"Ich habe mich immer gewundert, ob das nur eine Legende ist, über diese Uhr. Dass es das letzte Werk des Horologius ist. Oder ob es tatsächlich stimmt, dass der Uhrmacher damals mit seinem letztem Atemzug die Uhr zum Laufen gebracht haben soll, die letzte Schraube festzog und dann verstarb. Auf dem Castello munkelt man, dass, sobald die Uhr stehen bleibt, auch Palatina fallen würde."

Der Doge blickte nun ebenso auf das Ziffernblatt, schaute auf den Zeiger, der zwischen der drei und vier stand. Dann wandte er sich ab.

"In jedem Falle - besser dafür sorgen, dass sie weiterläuft. So ist auch meine Devise für Palatina. Dafür sorgen, dass es läuft. Und zwar besser als davor. Was mich zu Euch bringt, Duccio."

Der Doge wandte sich abrupt zu dem Besucher, fixierte ihn mit seinem Blick.

"Habt ihr herausgefunden, wonach ich euch fragte?"
Michele di San Trovaso

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Duccio da Costa
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Re: Das Castello

Beitrag von Duccio da Costa »

Duccio sah sich um in dem dunklen Raum. Das beunruhigende Sirren, Ticken und die gelegentlichen Glockenschläge erzeugten eine nahezu erdrückende Atmosphäre in dem spärlich beleuchteten Raum. Mit jeder vergehenden Sekunde kam es ihm mehr und mehr wie eine Folterkammer vor, die auf subtilste Art und Weise ihre Subjekte in den Wahnsinn trieb. Tick. Tick. Tick. Gong. Tick. Tick. Gong. Tick. Tick. Tick. Tick. Gong. Es war eine kalkulierte Unregelmäßigkeit, eine geplante Taktik, um ihn einzuschüchtern.

Und dass der Doge dann scheinbar aus dem Nichts auftauchte und im Halbdunkeln seine Runden um ihn zog, wie ein Tiger im Dickicht des Jungels - brauchte ihn zum Schaudern. Wie war er nochmal in diese Misere geraten ... ach ja, der verdammte "kleine" Auftrag damals, der sein Leben ruiniert hatte. Der Auftrag, der ihm nur etwas Geld bringen sollte für seine Nonna, die zwischen Spital und ihrem kleinen Turmzimmer in San Pietro pendelte wie eine fleißige Biene: ihr mühsam gesammelter Nektar jedoch wenig mehr als die nächste geistige Verwirrung, der nächste Zusammenbruch, den die Ärzte kaum zu verarzten wussten. Quacksalber.


"Eure Exzellenz, mio Doge!" Duccio nahm seine Kappe vom Kopf und verneigte sich tief.

"Ich ... Ich" Stammelte er, bevor er sich sammeln konnte.

"Ich habe mich bei der Casa Nostra umgehört. Aber meine Kontakte konnten nicht sagen, wie der Capo zum Militär steht und wie viele der Soldaten in seiner Schuld stehen. Ich wusste auch nicht, was ich fragen sollte, ihr ward etwas ... ungenau in euren Anweisungen, ich habe mein bestes getan!"
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Michele di San Trovaso
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Re: Das Castello

Beitrag von Michele di San Trovaso »

Der Doge blieb stehen, musterte den Jungen. Er ließ sich nicht anmerken, was in seinem Kopf vor sich ging während er mit gespitzten Ohren und seiner ganzen Aufmerksamkeit zuhörte.

So. Also wusste der Junge auch nicht mehr. Dabei war es wichtig zu wissen, aus erster Hand, wie die Lage in San Pietro war. Wer auf der Soldliste der Mafia-Clans stand, wer wen beeinflussen konnte. Und wie sehr sich das Militär schon in San Pietro eingenistet hatte.

Der San Trovaso seufzte, ging einige Schritte weiter. Am Fenster blieb er wieder stehen, sah sich das Panorama der Stadt für einige Momente an, in denen er Duccio den Rücken zugewandt hatte und nur das immer weiterlaufende Ticken und Surren den Raum erfüllte.


"Die Republik ist eine Waage. Und Waagen sind dazu da, ausbalanciert zu sein. Gerecht zu sein. Dass man hier und dort mal etwas an einer Stellschraube dreht, vielleicht eine Waagschale ein Quentchen schwerer ist als die andere - das ist nur menschlich. Aber damit sie ihre Funktion ausüben kann, muss sie letzten Endes austariert sein. Vor allem - ganz außerordentlich zu bemerken - wenn diese Waage diese Stadt ist, also aus einem guten Dutzend Waagschalen besteht, vielleicht nochmal genau so viele Arme, die herausragen, und irgendwo eine Skala die von Gewichten - zu Entenschnäbeln - zu Schiffen - zu Zahlen übergeht, an der man ablesen soll, was gerecht und gut ist. Und meine Aufgabe als Doge ist es, in jenem Chaos, zwischen all den Parteien und Personen, Balance zu finden. Hier in der Republik - wie auch nach außen."

Der Doge seufzte erneut, drehte sich dann geschmeidig zu Duccio um und fixierte ihn mit seinen kühlen, schwarzen Augen.

"Ich muss wissen, was in San Pietro vor sich geht. Auf welchem Fundament die Armee steht. Und wo die Casa Nostra oder die Sodoma agieren und wie viel Einfluss sie besitzen. Denn wer San Pietro in der Hand hat - hat auch Palatina in der Hand. Wenn die Fortezza und die Citta Antica der Kopf sind, die Citta Nuova die Beine, die emsig laufen, San Paolo die Arme, die wunderbarste Sachen schmieden, so ist San Pietro der Rumpf - robust, vielleicht nicht so wohlgenährt, wie er sein sollte - und doch mit dem Herz und dem Bauch das Zentrum dieser Stadt."

Der Doge wandte sich zum gehen, war schon fast aus dem Saal, als er noch einen kurzen Blick zu Duccio warf.

"Euer bestes muss besser werden, Duccio. Ich erwarte deutlich ausführlichere und interessante Berichte von euch in der Zukunft - bis Ende der Woche. Wenn nicht ... nun, an den Fall wollen wir gar nicht denken."

Und damit hatte er den Saal verlassen, die schweren Eichentüren schwangen hinter ihm zu und Duccio war allein. Im Dunkeln. Im horrenden Ticken des Saals.

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