Herkunft und Aufstieg der Familie Malvasia

In diesem Bereich stehen alle Hintergrundinformationen zu den Charakteren und Institutionen, die mit ihnen zusammenhängen. Dabei stehen die Familiengeschichten seit dem Rinascimento im Vordergrund.
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Cecilia Malvasia
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Herkunft und Aufstieg der Familie Malvasia


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Name und Ursprung

Der Name „Malvasia“ weist bereits auf die Geschichte dieser Familie hin. Malvasia ist der italienische Name für die griechische Stadt Monemvasia auf der Peloponnes, einem Stützpunkt der Republik Venedig auf der Handelsroute in den Orient. Die Felsenstadt galt lange Zeit als uneinnehmbar und harrte als letzte Bastion des Byzantinischen Reiches aus, als Konstantinopel bereits gefallen war. Der ursprüngliche griechische Name der Sippe ist nicht mehr mit Sicherheit zu rekonstruieren, Giorgio Malvasia ging davon aus, dass er Notaras lautete, doch könnte dies auch nur eine im Nachhinein erfundene Legende sein, um den Stand der Familie zu erhöhen – die Notaras waren hochstehende Staatsmänner in den letzten Jahren des Byzantinischen Reiches gewesen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Familie aus so einfachen Verhältnissen stammte, dass sie keinen Nachnamen besaß. Ab dem Umzug nach Italien nannte sich die Sippe zuerst „di Malvasia“ um ihre Herkunft anzugeben. Mit der Zeit legte man aber den Zusatz „di“ ab, um keine Verwirrung über eine angebliche adlige Abstammung zu stiften und unnötige Streitereien zu provozieren. Bis in die 1750ern nannten sich männliche Familienangehörige teilweise noch „Malvasias“ und weibliche Mitglieder „Malvasia“ (teilweise auch: Malvazias bzw. Malvazia), bis sich die feste Nachnamensform Malvasia endgültig etablierte.


Inhalt

Kapitel I: Stefanos Malvasia (circa 1690 – 1737)
Kapitel II: Michail/Michele Malvasia (1707 – 1781)
Kapitel III: Giorgio Malvasia (1731 – 1783)
Kapitel IV: Atanasio Malvasia (1733 – 1795)
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Cecilia Malvasia
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Re: Herkunft und Aufstieg der Familie Malvasia

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Stefanos Malvasia (circa 1690 – 1737)

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Das genaue Geburts- und Taufdatum des ersten fassbaren Malvasia sind unbekannt. Er dürfte etwa um 1690 in Monemvasia geboren worden sein, kurz vor der Anlandung venezianischer Truppen, die diesen strategisch wichtigen Ort eroberten und der Serenissima hinzufügten. Es war nicht das erste Mal, dass der Markuslöwe über der Stadtmauer flatterte. Schon von 1464 bis 1540 war Monemvasia, das die Venezianer Malvasia nannten, venezianisch gewesen. Im Spätmittelalter hatte dieser Ort einen enormen Aufschwung erfahren, weil er als Handelsplatz für erlesenen Wein, den berühmten Malvasia galt, den Venezianer und Genuesen über die Ägäis nach Italien und damit ganz Europa brachten. Monemvasia, das auf einer Felseninsel lag, konnte nur über eine künstliche Landbrücke erreicht werden und war daher schwer zu erobern. In seiner Blütezeit lebten 20.000 Seelen in der wohlhabenden Stadt.

Davon war 1690 so gut wie nichts mehr übrig. Auch die neue venezianische Administration änderte daran wenig. Die Einwohner hatten große Erwartungen mit der Rückkehr einer christlichen, europäischen Macht verknüpft. Im Krieg um die Morea – wie die Lateiner die Peloponnes nannten – hatte die griechische Landbevölkerung den venezianischen Vorstoß gegen die Türken unterstützt, doch der intensiv geführte Feldzug hatte die Halbinsel stark entvölkert, die muslimische Bevölkerung war zudem gänzlich geflohen. Monemvasia machte dabei keine Ausnahme.

Stefanos‘ Verwandte verdingten sich als Seeleute, Fischer und Fährleute. Stefanos‘ Vater Georgios gehörte zu jenen Männern, die die Verbindung zum Festland aufrechterhielt und per Boot diejenigen beförderte, die von der Insel aufs Festland übersetzten. Georgios brachte seinen Söhnen diese Arbeit früh bei. Bereits mit 10 Jahren brachte Stefanos seine ersten Passagiere – mithilfe seines älteren Bruders – auf die andere Uferseite. Andere Brüder heuerten bei der venezianischen Marine an. Im Gegenteil zu vielen griechischen Landsleuten gab es geringere Anpassungsschwierigkeiten, da die Familie zu einer katholischen Minderheit gehörte, die ihre Identität seit dem 15. Jahrhundert gegenüber der orthodoxen Mehrheitsbevölkerung bewahrt hatte. Die Sippe lebte in sehr bescheidenen Verhältnissen, jedoch nicht in Armut.

Im Jahr 1707 heiratete Stafanos eine Maria, von der man behauptet, sie sei eine Maniotin gewesen und demnach Nachfahrin eines stolzen und kampfeslustigen Bergvölkchens von einer anderen Landzunge der Peloponnes; der Wahrheitsgehalt dieser Anekdote kann mit Recht bezweifelt werden. Nur wenige Monate nach der Heirat kam der erstgeborene Sohn Michail zur Welt. Das Paar hatte fünf Kinder zum Zeitpunkt der türkischen Invasion im Jahr 1715. Da die Osmanen um ein Vielfaches überlegen waren und die kümmerlichen venezianischen Garnisonen bereits ihre Plätze verließen, wenn die Übermacht in Sichtweite kam, war die Morea und damit auch Monemvasia nach nur wenigen Monaten komplett verloren.

Die drohende Rückkehr unter den Türkenmond war dabei nur ein Motiv, der Heimat den Rücken zu kehren. Die Stadt war seit zwei Jahrhunderten dem Verfall preisgegeben, viele Familien waren auf die Inseln übergesiedelt oder hatten anderswo ihr Glück gesucht. Bis auf den Fischfang und das Hirtenwesen bot sich kaum noch eine Zukunft; weder Maulbeerbäume noch Weinstöcke kannte man mehr in diesem Teil Griechenlands, der immer mehr ein Raub von Anarchie, Banditentum und Perspektivlosigkeit wurde. Der Exodus der Familie war daher facettenreich; die türkische Eroberung blieb jedoch im kollektiven Gedächtnis als Schlüsselereignis haften.

Stefanos folgte der Einladung eines Bruders, der bei der venezianischen Marine angeheuert hatte und verließ mit Frau und Kindern Griechenland in Richtung Italien. Für einige Jahre lebten die nun als „de Malvazias“ bekannte Familie in Venedig, wo Stefanos als Gondoliere arbeitete. Die dortige Gemeinschaft aus griechischen Exilanten bot eine neue Heimstatt. Alleridngs konnten sich die Malvasia nie vollständig integrieren: die Griechen beäugten die katholischen Monemvasier kritisch, und zu den Venezianern bestand eine Barriere aus Kultur und Sprache. Stefanos sollte sein Leben lang nur einige wenige Brocken der italienischen Umgangssprache lernen, die ihm einzig bei der groben Verständigung mit seinen Arbeitgebern half; ansonsten mussten seine Söhne als Übersetzer aushelfen. Seine Frau Maria sollte bis zu ihrem Lebensende nur einen südgriechischen Dialekt sprechen.

Irgendwann in den 1720ern zogen die Malvasia neuerlich um, dieses Mal von Venedig nach Palatina. Die Gründe dafür sind nicht völlig klar. Es gibt Gerüchte, dass es sich Stefanos aufgrund seiner Sprachschwierigkeiten sich mit einem Kunden verscherzt hatte, der eine hohe Position in der Republik bekleidete. Andererseits suchte auch die Serenissima die Depression heim und die Verhältnisse für die Unterschicht wurden erdrückender. Was auch immer die Gründe waren: spätestens im Jahr 1727 finden sich Belege dafür, dass Stefanos und sein Sohn Michail als Gondolieri in San Pietro tätig waren und dabei Fracht wie Passagiere bedienten.

Trotz Umzugs änderte sich an der Lebenssituation der Familie nichts – bis mit den Planungen eines Kanals begonnen wurde, der den Rio und den Lago d’Amore verbinden sollte. Das Mammutprojekt hatte bereits der Doge Semifreddo anberaumt, wurde aber erst von seinem Nachfolger Leocorno umgesetzt. Dafür wurden Arbeiter aus der ganzen Republik und darüber hinaus angeworben. Die gute Bezahlung lockte auch die Malvasia von der Stadt auf das Land. Stefanos und seine Söhne schufteten jahrelang im Dreck und gehörten zu jenen Männern, die ungezählte Fuhren Erde aus der Goldenen Ebene wegschafften, um die palatinische Infrastruktur zu modernisieren. Während insbesondere Michail hier entscheidende Erfahrungen machte und die Bauaufsicht seine Talente als Organisator erkannte, wurde Stefanos die Arbeit zum Verhängnis. Bei einem unkontrollierten Dammbruch, der das Projekt um Monate zurückwarf, wurde der Stammvater der palatinischen Malvasia verschüttet und starb unter Karrenladungen von Dreck und Schlamm.
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Cecilia Malvasia
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Michail/Michele Malvasia (1707 – 1781)

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Michail Malvasia war der letzte Malvasia, der als gebürtiger Grieche in Monemvasia/Malvasia geboren wurde und dessen Muttersprache Griechisch war. Im Alter erzählte er immer wieder Legenden und Geschichten mit zweifelhaftem Wahrheitsgehalt aus der Heimat. Er war keine zehn Jahre alt, als er zusammen mit seinen Eltern und Geschwistern Venedig erreichte. Dort half er als Fischerjunge und Fährbegleiter, später als Gondoliere seinem Vater aus. In Venedig lernte Michail auch seine spätere Frau Athanasia kennen, die zur Gemeinschaft der Exilgriechen gehörte und deren Familie von der Insel Chios stammte. Er heiratete sie, kaum dass er das 18. Lebensjahr vollendet hatte, im Jahr 1725 in Venedig. Kurze Zeit danach erfolgte der Umzug nach Palatina.

Anders als sein Vater Stefanos sprach Michail flüssig Italienisch, wenn auch eher die Venezianische Variante mit starkem griechischem Akzent. In Palatina zeigte er sich sehr flexibel und beherrschte bald auch den Palatinischen Dialekt, was ihm unter Gondolieri und später beim Kanalbau eine gewisse Anerkennung brachte. Er war der erste Malvasia, dessen Namen man als „Michele“ italianisierte, manche nannten ihn „Greco“ oder „Michele detto Greco“. Als die Bauleitung sein Organisationsgeschick erkannte – seine Baugruppe erwies sich als die effizienteste – stieg er im Zuge des Voranschreitens des Leocorno-Projektes in der Hierarchie auf und wurde zum Vorarbeiter seines Abschnitts. Seit diesem Zeitpunkt nannte er sich selbst Michele. In einer bitteren Ironie der Geschichte sollte er vom Dammunglück profitieren, bei dem sein Vater Stefanos starb, da im Zuge der Überschwemmung auch eine ganze Reihe Bauleitern ums Leben kam.

Als das Kanalprojekt unter dem Dogen Tullio Sabbionetto feierlich beendet wurde, hatte sich Michele nicht nur als Bauleiter einen gewissen Ruf erworben, sondern auch Kontakte zu Investoren geknüpft, die den Kanalbau sowie die Errichtung der Siedlung Villanuova vorangetrieben hatten. Ein ganzes Jahrzehnt hatte Michele für den Kanalbau gearbeitet und seinen Lohn regelmäßig erhöhen lassen. Wie vielen anderen höhergestellten Bauarbeitern hatte er als Entlohnung schon vorher Land in der neuen Siedlung Villanuova erhalten. Die Republik hatte sich durch solche Landschenkungen eine zügige Entwicklung des neuen Dorfes am Lago dell’Amore erhofft. Die Familie Malvasia war bereits Anfang der 1730er dorthin gezogen und hatte sich ein bescheidenes, aber geräumiges Haus für die gesamte Sippe erbaut.

Stefanos war ein hart arbeitender und fleißiger Mann gewesen, doch Michele baute seinen Erfolg nicht auf reine Muskelkraft. Die vielen Jahre des Kanalbaus hatten ihn auf die Möglichkeiten der Fertigstellung aufmerksam gemacht. Er investierte sein Geld in ein Fährboot und gründete in Villanuova ein Familienunternehmen. Seine bootserfahrenen Verwandten warb er als Fährleute an, die von da an für ihn arbeiteten und Güter wie Passagiere zwischen Villannuova, Ocascura und Carnedossa transportierten, später auch nach Ponte Capuletti und Serravalle. Das Jahr 1744 gilt als offizielles Gründungsdatum der „Trasporti Aquatiche Malvasia“ (TAM). Michele sah vorerst davon ab, nach Porto Vecchio oder Palatina zu expandieren, um nicht mit den etablierten Fährenunternehmen zu konkurrieren oder den staatlichen Fährdienst herauszufordern.

Stattdessen stieg Michele in das Geschäft des Fährenunternehmers Tommaso Gibertone ein. Gibertone war einer der Großinvestoren des Leocorno-Kanals gewesen und hatte bei dessen Bau Bekanntschaft mit Michele geschlossen. Obwohl Michele weiterhin sein eigenes Unternehmen führte, war er stark in das Unternehmen Gibertones integriert und fungierte de facto als dessen Sub-Unternehmer. Michele sah darin eine gute Gelegenheit, sich nicht vor anderen Fährenunternehmern zu schützen, Gibertone konnte dagegen sicher sein, dass die Malvasia-Firma nicht in seine eigenen Linien hineinexpandierte. Die Zusammenarbeit hielt bis zum Tod von Tommaso Gibertone im Jahr 1756. In dieser Zeit holte Michele auch seinen Sohn Giorgio ins Geschäft, der wiederum alle Tricks und Kniffe vom alten Fuchs Gibertone kennenlernte.

Nach dem Ableben Gibertones geriet dessen Fährunternehmen in die Krise. Die zwei Söhne Alessio und Teoderico stritten sich um die Führung des Unternehmens, seine Tochter Clarissa sah sich um ihren Anteil gänzlich von ihren Brüdern betrogen. Michele trat trotz Bedenken nicht von seiner Position zurück und bot sich als Sub-Unternehmer des älteren Alessio an. Als es zum entscheidenden Bruch zwischen Alessio und Teoderico kam, teilten diese das Fährunternehmen auf. Michele nutzte diese Schwächung dazu aus, um seine eigenen Fährrouten auf dem Rio zu errichten, insbesondere Richtung Porto Vecchio. Das doppelte Spiel der Malvasia-Familie wurde von Alessio Gibertone zu spät bemerkt, der zuerst zum Partner Micheles degradiert wurde, bis er zuletzt in eine solche Abhängigkeit geriet, dass er von Michele dazu gezwungen wurde, sein Unternehmen an die TAM zu verkaufen. Der jüngere Bruder Teoderico verlor wenig später einen Gerichtsprozess um das Erbe des Tommaso und musste ein Drittel seines Unternehmenswertes an seine jüngere Schwester Clarissa abgeben. Die hatte sich 1762 mit Micheles Sohn Giorgio vermählt, um sich die Unterstützung der Malvasia zu sichern. In einem strategischen Zusammengehen ruinierten Vater, Sohn und Schwiegertochter Teoderico und kauften dessen Rest-Unternehmen zu einem Spottpreis auf.

Bereits Mitte der 1760er delegierte Michele das operative Geschäft an seinen Sohn Giorgio, der die TAM mit seiner Ehefrau gemeinsam leitete. Mit der Übernahme der Gibertone-Firma mauserte sich die TAM zu einem Fährenkonzern auf Republikniveau. Während Giorgio das Unternehmen vergrößern, neue Fährrouten errichten und sich auch in neue Gebiete der Republik vorwagen wollte, sehnte sich Michele in seinen letzten Jahren nach Ruhe. Obwohl er mit seinem Namen die Unterschrift unter jedes wichtiges Firmenstück setzte und bis zu seinem Tod Direktor der Firma blieb, zog er sich ab 1765 definitiv zurück. Alles, was nicht mit dem Fährenwesen oder Fischfang zu tun hatte, blieb ihm bis zu seinem Lebensabend fremd und anrüchig.

Michele hatte für die Familie bereits nach der Vollendung des Leocorno-Kanals das Bürgerrecht im Jahr 1743 erworben. Mit der Ausbreitung der TAM und der Übernahme von Alessios Anteil an der Gibertone-Firma zählte Michele bei der Steuerschätzung von 1761 zum Patriziat. Er hatte lebenslang keine politischen Ambitionen in Palatina gezeigt; es gibt jedoch gut belegte Rechnungen, die beweisen, dass Michele bei der Orlow-Rebellion (1770/1771) große Geldsummen in die alte Heimat überwies, um die Aufständischen gegen die osmanische Herrscher zu unterstützen. Das Türkentrauma lebte in der Familie fort, und obwohl Michele fast sein ganzes Leben in Italien verbracht hatte, träumte er bis zuletzt von der Freiheit Griechenlands. Michele starb am 15. September 1781 auf seinem Landsitz am Lago d’Amore. Seine letzten Worte waren Griechisch; da aber sich nur Dienstpersonal, aber keine Verwandten in der Nähe fanden, konnte sie keiner verstehen.
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Re: Herkunft und Aufstieg der Familie Malvasia

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Giorgio Malvasia (1731 – 1783)

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Giorgio Malvasia – eigentlich 1731 als Georgios in der Kirche Sant’Anselmo (San Pietro) getauft – war der erste Malvasia, der sich nicht mehr erstrangig als Grieche, sondern als Palatiner verstand. Giorgio wuchs zwar in einem griechisch geprägten Haushalt auf, doch mit dem Aufstieg seines Vaters aus der Unterschicht legte dieser Wert auf eine gute Ausbildung seiner Söhne, die ihm selbst verwehrt worden war. Während Michele sich als Vorarbeiter Lesen und Schreiben hatte selbst beibringen müssen, konnte Giorgio die Schule besuchen. Folgerichtig war Palatinisch Giorgios Erstsprache, Palatina seine Heimat, wenn auch der Bezug zur griechischen Heimat bestehen blieb – wie sein Vater verherrlichte Giorgio die Freiheitskämpfer seiner Heimat, die sich gegen die Türken auflehnten.

Mit 15 Jahren begann Giorgio seine Lehre bei Tommaso Gibertone, mit dem sein Vater Michele zusammenarbeitete. Giorgio zeigte sich als wissbegieriger und begabter Schüler, der früh damit begann, in „größeren Bahnen“ zu denken. Zu Gibertones Verwunderung gestaltete Giorgio bereits mit 20 Jahren die ihm anvertrauten Fährenrouten effizienter und profitabler – indem er die Fahrzeiten straffer organisierte und Löhne weniger als gerechte Bezahlung, denn vielmehr als Leistungshonorar verstand. Giorgio zeigte sich skrupellos bei Entlassungen, wenn das Personal nicht wie gewünscht die vorgegebenen Fahrzeiten einhielt; Giorgio war der Meinung, „jeder Affe“ könne ein Boot fahren und drohte oft mit Gehaltskürzungen. Effiziente Mitarbeiter förderte er dagegen. Gibertones Fährensystem manövrierte im Passagierverkehr bald die Konkurrenz aus, weil dieses für Pünktlichkeit und Verlässlichkeit stand.

Bei Gibertones Tod im Jahr 1756 hatte sich der Mittzwanziger bereits einen berüchtigten Ruf als beinharter Geschäftsmann erworben, der dem Profit die Priorität in seinem Leben einräumte. Es wird gemunkelt, dass nicht Michele, sondern in Wirklichkeit Giorgio der Drahtzieher bei der Zerschlagung und anschließendem Aufkauf der Gibertone-Firma war. Die Ehe mit Clarissa Gibertone hatte vorrangig Nützlichkeitserwägungen, da eine Partnerschaft für beide eine fruchtbare Option im Kampf gegen die Gibertone-Brüder bot. Ironischerweise entdeckte das Paar nach der Hochzeit die Liebe füreinander, da sie beide erkannten, dass sie eine sehr ähnliche Lebensphilosophie verfolgten, in der Machbarkeit, Nützlichkeit, Expansion und Wohlstandsvermehrung entscheidend waren. Giorgio und Clarissa führten das Unternehmen de facto gemeinsam.

Als Giorgio ab Mitte der 1760er operativer Direktor der TAM wurde, begann er mit einem weitreichenden Ausbau des Fährennetzwerkes mit Expressbooten von einem Ende der Republik zum nächsten und einem verzweigten Frachtgüterverkehr, wie es ihn in der Form bisher nicht gegeben hatte. Er stattete Boote mit zusätzlichen Ruderern aus, um Passagiere möglichst schnell zu ihrem Zielhafen zu bringen. Die TAM richtete die erste Direktverbindung von Carnedossa bis Castiglione ein und erschloss eine Route von Formosina bis Prevalle. Der unheimliche Aufstieg Giorgio Malvasias zum „Signore der Fähren“ wurde nicht nur den Konkurrenzfirmen ein Dorn im Auge, sondern auch der Republik, deren öffentliches Passagiersystem kaum mit dem privaten Anbieter mithalten konnte. Die Situation verschlimmerte sich, als Giorgio über niedrigere Ticketpreise die TAM zum Express-Service erster Wahl machte. Nicht nur die Fährenbesitzer, sondern auch die Kutscher sahen sich bald in ihrer Existenz bedroht, da eine Bootsfahrt komfortabler, preiswerter und schneller wurde als die herkömmliche Reise per Land. Giorgio wusste diese Situation noch weiter zu verschärfen, als er Sonderfähren mit besonderem Luxus, Bedienung und großzügigem Platzangebot einführte.

Zugleich investierte Giorgio auch in anderen Sektoren. Da er einen wichtigen Teil des Güterverkehrs der Republik kontrollierte, bot es sich an, Anteile an Betrieben zu kaufen oder gleich das eine oder andere Gut zu erwerben, das an seinen strategischen Routen lag. So erwarb er Beteiligungen an Sägewerken und Mühlen, kaufte mehrere Weingüter für Ilrustica-Wein in der Bassa Mandrana und exportierte seine eigenen Waren. Ab den 1770er Jahren war Giorgio so reich, dass er auch nach gesellschaftlicher Anerkennung und politischem Einfluss gierte. Seine Ansprüche betonte der Malvasia damit, als er einen verfallenen Palazzo in der Città Antica erwarb, diesen prächtiger denn je errichten, und gleich zwei Gärten für diesen anlegen ließ. Den kleineren Vordergarten gab er wenige Jahre später als „Parco Malvasia“ für die Öffentlichkeit frei; die dortige Bocciabahn ist bis heute ein beliebter Treffpunkt. In jener Zeit verlegte Giorgio auch die Firmenzentrale in die Hauptstadt, da er Villanuova nicht mehr als angemessen empfand.

Den Zenit erreichte Giorgios Karriere, als er 1780 ein Mandat als Parlamentarier errang. Er gehörte der Fraktion der Mercanti an, zählte dabei zum radikalen Flügel. Giorgio vertrat die Idee, dass der Staat höchstens als „Nachtwächter“ fungieren sollte. Die Verquickungen von Staat und Kirche wie die Privilegien der Nobilität im Senat waren ihm ein Dorn im Auge. Als Schwiegersohn einer gebürtigen Sabbionetto stand er einer weiteren Demütigung der Exekutive offen gegenüber, forderte gar weitere Ermächtigungen des Parlaments nach britischem Vorbild. Nicht alte Regeln oder Traditionen, sondern eine Verfassung sollte das Verhältnis zwischen Volk und Obrigkeit festlegen. Giorgio galt als eifriger Anhänger der Aufklärung und soll der ersten Freimaurerloge von Palatina angehört haben.

Der fulminante Aufstieg der Familie Malvasia, der sogar zu Spekulationen führte, Giorgio strebe das Amt eines Dogenberaters an, endete jedoch abrupt: Giorgio, seine Frau Clarissa und sein Sohn Michele II. kamen ausgerechnet auf einer Kutschfahrt im Gebirge allesamt ums Leben, als das Gefährt von einer Klippe stürzte. Die genauen Umstände sind bis heute ungeklärt und haben zu zahlreichen Spekulationen geführt. Giorgio war auf dem Weg zu einem Geschäftsabschluss gewesen, bei dem über die Übernahme einer Transportfirma verhandelt werden sollte. Als einzige näher verwandte Malvasia verblieben nur seine minderjährige Tochter Cecilia und sein Bruder Atanasio, der die TAM in seinem Namen übernahm.
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Atanasio Malvasia (1733 – 1795)

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1783 fiel das Malvasia-Erbe nach dem frühzeitigen Tod Giorgios an dessen wenig talentierten, aber dafür umso habgierigeren Bruder Atanasio (geboren 1733). Atanasio hatte sich stets nach Giorgios Reichtum gesehnt, ohne die Qualitäten mitzubringen, die es für die Leitung eines so großen und komplizierten Unternehmens brauchte. Atanasios Lebensziel schien nur darin zu bestehen, den geerbten Wohlstand rücksichtslos zu verteidigen, statt ihn zu mehren. Das erste Opfer dieser destruktiven Strategie war seine Nichte Cecilia, die er als eigentliche Erbin ihres Vaters auszuschalten, oder wenigstens kaltzustellen versuchte. Nach dem Tod ihrer Großmutter Giovanna schob er sie in den Klarissenkovent ab. Das sollte Besitzforderungen und mögliche Nachkommenschaft von Anfang an ausschließen.

Atanasio zeigte im Geschäft dieselbe Härte und Skrupellosigkeit wie sein Bruder Giorgio, jedoch ohne dessen positive Vorzüge zu besitzen. Seinen Angestellten zeigte er sich kaltherzig und knausrig gegenüber, ohne Anreize zu bieten; für die Expansion fehlte ihm die Fantasie; für Innovationen die Flexibilität. Vermeintliche Investoren entpuppten sich bald als einflussreiche Anteilseigner, die die TAM wie Geier zerfetzen wollten. Dazu gehörte auch der jüngere der beiden Gibertone-Brüder Teoderico, der eine sehr ähnliche Strategie gegen Atanasio anwendete, die zuvor Michele und Giorgio gegen Alessio benutzt hatten, um diesen zu ruinieren. Während sein Bruder ins Ausland gegangen war, hatte Teoderico Jahre darauf verwendet, eine Strategie zu entwerfen, um sein rechtmäßiges Erbe zurückzuholen. Unterstützung bekam er dabei von zahlreichen Feinden der Malvasia, die sich die Familie im Verlauf der letzten Jahrzehnte gemacht hatte.

Atanasio war nicht imstande, sich gegen das Komplott zu wehren. Bei einem Unfall in einem malvasischen Sägewerk erlitt Atanasio eine schwere Rückenverletzung, die seine untere Körperpartie lähmte und ihn zum Krüppel machte. Wegen mutmaßlicher Zeugungsunfähigkeit fiel er zudem als Heiratskandidat aus. Psychisch und physisch zermürbt musste Atanasio zusehen, wie der Staat die TAM über ein neu eingeführtes Kartellrecht im Jahr 1790 zerschlug; hinter den Parlamentariern standen jene interessierten Kreise, die auf die Zerstörung des Familienunternehmens seit Jahrzehnten hingearbeitet hatten. Die Republik sicherte sich dabei ein Stück vom Kuchen, indem sie manche Linien in das öffentliche System überführte. Atanasio sah sich gezwungen, sich gänzlich aus dem Fährengeschäft zurückzuziehen und Immobilien wie Grundbesitz zu veräußern. Vom Vermögen der Malvasia blieben noch Anteile an Betrieben, ein paar Weingüter in der Bassa Mandrana und private Fährboote, sowie ein großer Kapitalbetrag, der von den Verkäufen übrigblieb.

Dieses Erbe fiel 1795 an Cecilia Malvasia, die letzte Nachkommin Micheles, nachdem Atanasio in der Hoffnung auf Heilung von seinem jahrelangen Elend nach der Einnahme eines pfefferminzfarbenen Tees starb, den ihm seine Nichte zur Linderung verabreicht hatte.
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Stammbaum der Familie Malvasia

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Der Stammbaum zeigt nur die wichtigsten, in der Familiengeschichte namentlich genannten Mitglieder. Zum Vergrößern klicken.
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